Heinrichshofen, Gotthelf Theodor Wilhelm von |
H. entstammte einer Ende des 17. Jahrhunderts nach Sachsen eingewanderten ursprünglich österreichischen Adelsfamilie, deren Mitglieder nach ihrem Übertritt zum Protestantismus überwiegend im geistlichen Stand tätig waren. Sein Vater, ein ehemaliger Feldprobst im sächsischen Heer, bekleidete die Pfarrstelle in Mülverstedt bei Langensalza. H. wurde zunächst im Elternhaus erzogen und zum Erlernen eines Handwerks bestimmt. Er trat Ende 1797 als Lehrling in die neueröffnete Sortiments- und Verlagsbuchhandlung eines Freundes seines Vaters, des Buchhändlers Georg Christian Keil, in Magdeburg ein, für den er seit ca. 1803 auch als Buchhandelsgehilfe und ab 1806 wegen dessen Erkrankung als kommissarischer Geschäftsführer tätig war. Nach dem Tode Keils 1807 übernahm H. von dessen Schwiegermutter das Geschäft und führte es ab Januar 1808 für eigene Rechnung weiter. Neben Belletristik, darunter Übersetzungen französischer Autoren, und ortskundlichen Schriften intensivierte H. den von Keil betriebenen Verlag wissenschaftlicher Gebrauchstexte und Lehrbücher namhafter Magdeburger Gelehrter und Pädagogen. Auf seine Anregung hin entstanden u. a. das aus dem Nachlaß Johann Christian August Heyses herausgegebene “Handwörterbuch der deutschen Sprache” (3 Bände, 1833–49) sowie die mehrfach aufgelegte “Encyklopädie der classischen Alterthumskunde” von Ludwig Schaaff. Die typographische Gestaltung der Verlagsartikel bewegte sich, auch durch die Kooperation mit führenden Magdeburger Druckern wie Eduard Haenel, z. T. auf hohem Niveau. Später wurde die Theologie ein Hauptfeld seiner buchhändlerischen Verlagstätigkeit, die bedeutende Autoren wie Friedrich Ahlfeld, Friedrich Arndt, Bernhard Dräseke, Rulemann Friedrich Eylert, Friedrich Schleiermacher und Franz Bogislaus Westermeier umfaßte. Im Revolutionsjahr 1848 erschien der dritte Band der “Gespräche mit Goethe” von Johann Peter Eckermann in Magdeburg. H. engagierte sich zudem auf vielfältige Weise für das kulturelle Leben in der Stadt. Er war nachweislich mit seinem jüngeren Bruder Friedrich H., den er 1818–24 in seiner Buchhandlung beschäftigte, an der Vorbereitung und Durchführung des Magdeburger Musikfestes von 1821 beteiligt. Zudem gehörte er nach dem Tod des Theaterdirektors August Heinrich Fabricius zum Kreis um Oberbürgermeister August Wilhelm Francke, der 1825 einen neuen Theater-Aktien-Verein ins Leben rief. Auch späterhin blieb H. dem Theater der Stadt eng verbunden. Persönliche Bekanntschaften und Freundschaften des literarisch- und musikbegeisterten H. führten Anfang der 1820er Jahre zur Gründung einer Konzertdirektion, die in den folgenden Jahrzehnten bedeutende Künstler nach Magdeburg zog. Zahlreiche in- und ausländische Schauspieler, Musiker und Komponisten waren bei ihren Aufenthalten in Magdeburg bei H. zu Gast und logierten oft auch dort (u. a. Henriette Sonntag, Karl von Holtei, Angelica Catalani, Wilhelmine Schroeder-Devrient, Niccolo Paganini, Robert Schumann, Clara Wieck, Albert Lortzing, Heinrich Marschner, Franz Liszt, Richard Wagner und Johann Nepomuk Hummel). Sein Haus war lange Jahre hindurch Mittelpunkt des literarischen und musikalischen Lebens der Stadt, in dem regelmäßig Konzerte und gesellige Treffen veranstaltet wurden. H., der mit diesen Aktivitäten die Grundlagen für den späteren bedeutenden Musikverlag seiner Söhne schuf, war seit 1814 reges Mitglied der Magdeburger Freimauerloge “Ferdinand zur Glückseligkeit”. Er führte sein Geschäft bis 1876, seit 1840 im Verein mit seinem Sohn Theodor H., dem er zunehmend die Verlagstätigkeit überließ. Unter H. wurden eine Reihe bekannter Buch- und Musikalienhändler ausgebildet, u. a. Julius Schuberth und Otto Meißner in Hamburg. H. starb als mehrfach geehrter Bürger der Stadt Magdeburg 1881 im Alter von fast 100 Jahren und wurde auf seinem Rittergut in Hammer/Schlesien beigesetzt.
Literatur: MGG 6, Sp. 77f.; Hobohm, Bd. 1, 555–567; N. N., W. H., in: Die Gartenlaube, 1882, 168; Wilhelm Stieda, Die Entwicklung des Buchhandels in Magdeburg, in: Magdeburgs Wirtschaftsleben in der Vergangenheit, Bd. 3, 1928, 413–415; Georg Müller (Hg.), Der Sächsisch-Thüringische Buchhändler-Verband 1883–1933, 1933, 86; H. 1797–1937, 1937 (B); 150 Jahre H. Magdeburg 1797–1947, 1947; Richard Schaal, Musiktitel aus fünf Jahrhunderten. Sonderdruck zum 175jährigen Bestehen des Hauses Heinrichshofen 1797–1972, 1972 (*B).
Guido Heinrich