Dräseke, Johann Heinrich Bernhard
geb. 18.01.1774 Braunschweig,
gest. 08.12.1849 Potsdam,
evangelischer Theologe, Generalsuperintendent.

In kleinbürgerlichen Verhältnissen aufwachsend, erhielt D. nach dem Besuch der Waisenhausschule ab 1777 und den Gymnasien Catharinäum und Martinäum (ab 1780) 1789 die Chance eines Freiplatzes am akademischen Collegium Carolinum in Braunschweig, wo er bis 1792 lernen konnte. Dank seiner strebsamen Intelligenz wechselte er 1792 an die durch den liberalen Humanismus Herders geprägte Landesuniversität “Julia Carolina” nach Helmstedt, wo er mit dem Niedergang der 1809 aufgelösten Alma mater ebenso wie mit dem schlechten Ruf der Studenten konfrontiert wurde. Doch sein gewissenhafter Fleiß ließ ihn bereits nach sechs Semestern 1794 das Erste Theologische Examen bestehen. Nach einjähriger Hauslehrertätigkeit in Ratzeburg wurde D. Mitte 1795 auf die Stelle eines Diakons in Mölln gewählt. Nach seiner Ordination in Ratzeburg im August 1795 wurde er in die Stelle eingeführt und erhielt 1798 die Primariatsstelle in Mölln. Infolge einer radikalen Neuorganisation des Schulwesens wechselte er 1804 als Pfarrer nach St. Georgenberg bei Ratzeburg. Im Oktober 1814 wurde D. zum dritten Pfarrer der Bremer St. Ansgarii-Kirchengemeinde gewählt. Diese Stelle war 1804 als erste Unionsmaßnahme im überwiegend reformierten Bremen lutherisch gewidmet worden. Die Euphorie, mit der D. um den lutherischen Domprediger Verbündete für eine breite Annahme der Unionsideen suchte, verflog bald infolge gegenseitiger Verbitterung und verlief sich in literarischen Anfeindungen. In Bremen schloß sich D., der bereits in Braunschweig Kontakte zur Freimaurerei erhalten hatte, 1815 der Loge “Zum Oelzweig” an und war von 1826–29 Meister vom Stuhl dieser Loge. D.s Predigten und Schriften, die im Druck weit über Bremen hinaus begehrt waren, ließen um 1830 einige Landesherren auf ihn als Kandidaten für ein kirchenleitendes Amt aufmerksam werden. So wünschten Sachsen-Coburg und Oldenburg D. zu gewinnen, doch folgte dieser den Plänen des ihn fördernden Beraters von Friedrich Wilhelm III., des reformierten Hofpredigers und Bischofs Ruleman Friedrich Eylert, und trat im März 1831 die Nachfolge des Generalsuperintendenten  Franz Bogislaus Westermeier als Domprediger in Magdeburg an. Durch Kabinettsordre vom 13.01.1832 verlieh ihm Friedrich Wilhelm III., der D. wegen seiner positiven Stellung zur Union schätzte, einen persönlichen Bischofstitel. In der Fülle der Amtspflichten in Magdeburg am Dom, im Konsistorium und der Regierungsabteilung für Kirchen- und Schulwesen blieb D. neben den ungeliebten Verwaltungstätigkeiten noch Raum für seine mit Ruhm bedachten Kanzelreden. Ein Höhepunkt unter den vielen Gelegenheiten für Festreden war 1837 die Einweihung des von Karl Friedrich Schinkel entworfenen Denkmals zur Erinnerung an den 1632 bei Lützen gefallenen schwedischen König Gustav Adolf. Gleichzeitig mehrten sich auch Kritik und Unmut gegenüber D.s bischofsherrlicher Amtsführung, die ihren offenen Ausbruch anläßlich des sogenannten “Magdeburger Bilderstreites” fanden. Dieser hatte sich an einer Zeitungsannonce nach dem Bild “Die betende Bauernfamilie” und einem dazu passenden Gedicht entzündet, die der Magdeburger Pfarrer Wilhelm Franz Sintenis scharf attackierte. Der Streit darüber wurde auf den Kanzeln Magdeburgs und in den Zeitungen ausgetragen. Kurzfristig endete die Untersuchung des Konsistoriums auf Druck des städtischen Magistrates mit einem vom Ministerium für geistliche Angelegenheiten gebilligten Verweis gegen Sintenis. Langfristig aber wirkte der Streit tiefer, weil weiterhin über die Stellung des Konsistoriums zwischen den Obrigkeiten und über die von seinen Leitern zu verantwortenden Maßnahmen gestritten wurde. Dieser Streit um die inhaltliche und strukturelle Festlegung von Generalsuperintendent D. und Oberpräsident Anton Graf zu Stolberg- Wernigerode als Vorsitzenden des Konsistoriums beeinflußte nachhaltig die Debatte um die sich seit 1841 gründenden “Protestantischen Freunde” um Leberecht Uhlich wie auch den Konflikt zwischen orthodoxem Kirchenregiment und rationalistischer Theologie in Halle. Allen Beteuerungen Friedrich Wilhelms IV. zum Trotz erfuhr D. bald seine persönlichen Grenzen der Belastbarkeit und bat innerhalb eines Jahres vom Dezember 1840 bis Dezember 1841 dreimal um seine Entlassung. Erst das vierte Gesuch vom Oktober 1842 nahm der Monarch an, so daß D. am 31. März 1843 aus dem Amt scheiden konnte. Einem Wunsch des Königs folgend, hielt er sich im Ruhestand in Potsdam auf, woraus aber keine amtlichen Verpflichtungen erwuchsen. D. ist als geistlicher Amtsinhaber in bewegter Zeit zwischen der Aufklärung und den Herausforderungen von Liberalismus und Restauration ein Beispiel für eine gefährliche Gratwanderung zwischen einer nicht sicher definierten Amtsfülle, schnell sich wandelnden Zeitauffassungen und sich am Ende selbst überschätzenden Veranlagungen.

Werke: Predigten für denkende Verehrer Jesu (5 Bde), 1804–1812; Predigtentwürfe über freie Texte (2 Bde), 1815; Gemälde aus der Heiligen Schrift (4 Bde), 1821–1828; Timotheus D. (Hg.), B. D., Nachgelassene Schriften (2 Bde), 1850–1851.

Literatur: NDB 4, 96f.; ADB 5, 373–382; RE 5, 31898, 18f.; RGG 2, 31958, 261f.; BBKL 1, Sp. 1377; A. W. Müller, Der Bischof D. als Freimaurer, 1865; Gerhard Puttkammer, J. H. B. D., in seinem Leben und Wirken dargestellt, Diss. Königsberg 1921; Kurt Haupt, Der Magdeburger Bilderstreit im Jahre 1840 auf Grund des Aktenmaterials dargestellt, in: MonBl 73, 1931, 313–315, 323–325; Walter Breywisch, Der Magdeburger evangelische Bischof B. D., in: GeschBll 66/67, 1931/32, 143–159; Wolfgang Nixdorf, Bischof D. (1774–1849), Diss. Halle 1960, 1981.

Bildquelle: *Erich Roeder, Felix D., Bd. 1, 1932, 17.

Hans Seehase