Westermeier, Franz Bogislaus, Dr. theol. h.c.
geb. 22.08.1773 Flechtorf bei Braunschweig,
gest. 01.03.1831 Magdeburg,
evangelischer Pfarrer, Generalsuperintendent.

W. war einer der herausragenden evangelischen Geistlichen und Kirchenpolitiker in Stadt und Region Magdeburg bzw. in der preußischen Provinz Sachsen im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts. Er stammte aus einer lutherischen Pfarrerfamilie – sowohl sein Vater, der früh verstarb, als auch sein Onkel, bei dem er in ab dem zehnten Lebensjahr in Braunschweig lebte, waren Pfarrer. In Braunschweig erhielt er auch seine Schulbildung in der Martini-Schule und im Carolinum, studierte evangelische Theologie an der Universität Helmstedt und war anschließend als Hauslehrer in Braunschweig tätig, bevor er – erst im 26. Lebensjahr stehend – 1799 zum zweiten Prediger zu St. Ulrich und Levin in Magdeburg gewählt wurde. W. erwies sich als guter Theologe und außerordentlich wortgewaltiger Prediger und machte auf diese Weise auf sich aufmerksam. Gemeinsam mit Gottfried Benedict Funk und Christian Conrad Duhm gab er 1805 ein revidiertes “Magdeburgisches Gesangbuch” heraus. Seine besondere Aufmerksamkeit galt den sozialen Zeitfragen. W. widmete sich intensiv der Armenpflege und publizierte dazu auch einige Schriften. Sein erfolgreiches Wirken verhalf ihm zu einem raschen Aufstieg innerhalb der Magdeburger Kirchenorganisation. 1806 erhielt er durch das protestantische Domkapitel eine Berufung als zweiter Prediger am Dom zu Magdeburg. Bemerkenswert ist, daß W. nach der Abtrennung Magdeburgs von Preußen im Frieden von Tilsit die Aufgabe übernahm, die Festpredigt zum Regierungsantritt des Königs Jérôme von Westfalen zu halten. In der Zeit des Königreichs Westfalen stieg W. weiter auf, wurde 1809 erster Domprediger in Magdeburg und ein Jahr später Superintendent der ersten Diözese Magdeburg. Einen vorläufigen Höhepunkt in seiner Berufslaufbahn bildete das Jahr 1812, als W. Mitglied des Magdeburger Konsistoriums und wenig später als ältester Konsistorialrat Generalsuperintendent des Elbdepartements wurde. Einerseits, weil W. sich in politischen Fragen trotz seiner Festpredigt für König Jérôme und anderer Aktivitäten zurückhielt und sich vorrangig religiösen und sozialen Fragen zuwandte, andererseits, weil es ihm nicht an Loyalität gegenüber der siegreichen preußischen Krone fehlte und man in seinem Wirken während der Franzosenzeit seitens der preußischen Behörden keinen Hindernisgrund sah, wurde W. bruchlos innerhalb der preußischen Staatskirche weiterhin in wichtigen Ämtern beschäftigt. Wie schon zu besonderen Anlässen während des Königreichs Westfalen hielt W. auch die Festrede aus Anlaß des Einzuges der Preußen in Magdeburg und aus Anlaß der Erbhuldigung gegenüber dem König von Preußen. Mit besonderen Aktivitäten und einer viel beachteten Predigt zur Vorbereitung der Kirche der Union in Preußen stellte sich W. ausdrücklich in den Dienst der Kirchenpolitik König Friedrich Wilhelms III. Nach der Einrichtung eines einheitlichen Konsistoriums für die neugegründete Provinz Sachsen im Jahre 1817 blieb W. hier als Konsistorialrat beschäftigt und war gleichzeitig bei der Regierung zu Magdeburg in der Abteilung für die Kirchenverwaltung und das Schulwesen tätig. Aus Anlaß des 300. Jahrestages der Reformation verlieh ihm die Theologische Fakultät der Universität Halle den Ehrendoktortitel. Eine besondere Würdigung seiner Tätigkeit und seiner außerordentlichen Verdienste in der evangelischen Kirchenorganisation der Provinz Sachsen war die Verleihung der Würde eines evangelischen Bischofs durch den König mit Wirkung vom 1. Januar 1826. Den Höhepunkt seiner kirchlichen Laufbahn stellte die im Jahre 1829 erfolgte Ernennung zum Generalsuperintendenten der Provinz Sachsen dar. Damit stand er zusammen mit dem Konsistorialpräsidenten an der Spitze der Kirchenorganisation der Provinz Sachsen. Es wurde mit dieser Erhöhung auch deutlich, daß sich W. vollkommen mit der Kirchenpolitik der preußischen Staatskirche identifizierte, denn deren Durchsetzung in der Provinz war die Hauptaufgabe im neuen Amt.

Werke: Oeffentliche Religionsvorträge, 1800; Predigt nach dem Regierungsantritte Sr. Majestät des Königs von Westphalen Hieronymus Napoleon, am Tage der Volkshuldigung in Magdeburg den 6. März 1808, 1808; Festpredigten und Casualreden, 1832.

Literatur: Neuer Nekr 9, 1833, 197–200; Hamberger/Meusel, Bde 10, 16, 21; Heinrich Döring, Die gelehrten Theologen Deutschlands im 18. und 19. Jh., Bd. 4, 1835.

Mathias Tullner

letzte Änderung: 02.03.2005