Kretschmann, Carl Gottfried |
Der Sohn des Hofgerichtsaktuars Christian Gottfried K. wurde bis zu seinem 14. Lebensjahr bei Verwandten in Delitzsch erzogen und absolvierte ab 1798 eine sechsjährige Buchhandelslehre bei Johann Jakob Schoeps in Zittau. 1804 trat K. als Handlungsgehilfe in das Geschäft von Johann Adam Creutz in Magdeburg ein, das er bereits ab 1808 zunächst kommissarisch für den erkrankten Inhaber fortführte und nach dessen Tod sowie der Heirat mit dessen jüngster Tochter 1810 für eigene Rechnung übernahm. Unter K.s Leitung expandierte das aus Buchhandlung und Verlag bestehende Unternehmen, das er unter dem Namen Creutzsche Buchhandlung weiterführte. Besondere Verdienste erwarb sich K. durch seine verlegerische Tätigkeit. Er ließ als erster einen Verlagskatalog in Magdeburg erscheinen und brachte mit den von August Andreae herausgegebenen Medicinalberichten aus der Provinz Sachsen (1830–37) sowie den Periodika Podalirius. Zwanglose Hefte, als Beiträge zur Kritik der ältern und neuern Arzneikunde (1832) und Hygina. Blätter für Freunde der Gesundheit und des Familienglückes (1835–38, Herausgeber jeweils Phoebus Moritz Philippson) die ersten naturwissenschaftlichen Zeitschriften in Magdeburg zum Druck. Auch die erste konfessionelle Zeitschrift Magdeburgs, das von Ludwig Philippson redigierte Israelische Predigt- und Schulmagazin (1834–36) wurde bei K. verlegt. Als langjähriges Mitglied der Loge “Ferdinand zur Glückseligkeit” (seit 1814) wußte K. auf der Basis einer bürgerlich-liberalen Gesinnung berufliche Aktivitäten mit sozialem und kulturellem Engagement zu verbinden. Er wirkte nicht nur mehrere Jahre als Stadtverordneter, sondern war als Direktor des Bürgerrettungsinstituts und langjähriges Mitglied der Armen- Holzversorgungs-Gesellschaft in Verbindung mit Carl Focke energisch um die Verbesserung der Armenversorgung bemüht. Durch seine Tätigkeit als Sekretär des Frauenvereins für die Erziehung der durch die Cholera verwaisten Kinder (1830/31) hatte er engen Kontakt mit engagierten Magdeburger Medizinern wie August Andreae und August Brüggemann, von denen er zahlreiche Arbeiten publizierte. Bedeutend war auch K.s nachhaltige Förderung des kulturellen Lebens, insbesondere des städtischen Musiklebens. Bereits in Zittau war der musik- und kunstbegeisterte K. freundschaftlich mit Friedrich Schneider, dem späteren Dessauer Kapellmeister, verbunden. In Magdeburg beförderte K. auf Anregung Carl Friedrich Zelters Anfang 1819 die Stiftung der Ersten Magdeburger Liedertafel, einer der ältesten deutschen Männerchöre, deren erster Dirigent Johann Andreas Seebach wurde. K., selbst Mitglied des neugegründeten Domchores und der Liedertafel, organisierte zudem über viele Jahre die Konzerte der Ferdinand-Loge und der Harmonie. 1830 gehörte das aktive Mitglied K. zu den Mitbegründern der Provinzial-Liedertafel in Bernburg. Er hatte den entscheidenden Anteil am Zustandekommen des 1834 abgehaltenen 7. Elb-Musikfests in Magdeburg. Als Verleger sowie als Gründer und Direktor des Zschokke-Vereins zur Verbreitung wohlfeiler Volksschriften (seit 1844) nahm K. ab 1840 regen Anteil an den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen in Magdeburg. Er unterhielt enge Kontakte zur freikirchlichen Bewegung der sogenannten “Lichtfreunde” um Leberecht Uhlich, mit dem er freundschaftlich verbunden war, und verlegte deren Schriften und Predigten. Noch auf dem Krankenlager sah sich K. deshalb erheblichen Anfeindungen von Seiten reaktionärer Kreise und der konservativen Regierung in Magdeburg um den Oberpräsidenten Gustav von Bonin ausgesetzt. Im April 1850 übernahm der seiner dritten Ehe mit der Tochter des Magdeburger Konsistorialrates Johann Friedrich Wilhelm Koch entstammende Sohn Reinold K. die Geschäftsführung.
Literatur: Neuer Nekr 28, 1852; Hobohm, Bd. 1, 549–554 und Bd. 2, 168–170; Friedrich Häseler, Geschichte der Magdeburger Liedertafel, 1869; N. N., Am 11. Juni 1778 …, in: Bll. HGusL 30, 1878, 177–179; Wilhelm Stieda, Die Entwicklung des Buchhandels in Magdeburg, in: Magdeburgs Wirtschaftsleben in der Vergangenheit, Bd. 3, 1928, 377–380, 415f.; Georg Müller (Hg.), Der Sächsisch-Thüringische Buchhändler-Verband 1883–1933, 1933.
Bildquelle: Magdeburgische Zeitung Nr. 640 vom 16.12.1933.
Guido Heinrich