Kretschmann, Reinold |
Der Sohn des Buchhändlers und Verlegers Karl Gottfried K. genoß eine vielseitige Erziehung im Hause des kunstinteressierten Vaters und besuchte anschließend bis Ostern 1844 das Magdeburger Domgymnasium. 1844–47 absolvierte er eine Buchhandelslehre in der Pergayschen Buchhandlung in Aschaffenburg, war danach bis Oktober 1848 im väterlichen Geschäft tätig und arbeitete zudem in der Redaktion der Magdeburgischen Zeitung. Ende 1848 trat er als Buchhandelsgehilfe in die Stillersche Hofbuchhandlung in Rostock ein, wo er sehr erfolgreiche Arbeit leistete, kehrte jedoch Anfang 1850 aufgrund der Krankheit seines Vaters wieder nach Magdeburg zurück. Nach dessen Tod übernahm K. die Sortiments- und Verlagsbuchhandlung (Breiter Weg 156) – in diese schwierige Zeit fiel auch die Ausbildung Wilhelm Raabes zum Buchhändler – und dehnte das Geschäft bedeutend aus. 1869 trat mit Theodor Koltzsch aus Halle ein Teilhaber in die Firma ein, nach dessen Ableben 1873 K. wieder für alleinige Rechnung arbeitete. 1870 erweiterte er das Geschäft um eine Musikalienhandlung und eine große Musikalien-Leihanstalt. Im Herbst 1880 trat sein Sohn Max K. als Prokurist in die Firma ein und wurde 1883 Teilhaber. K. führte das Unternehmen, bis ein Augenleiden ihn Anfang 1899 zwang, aus dem Geschäftsleben auszuscheiden. Unter seiner Leitung wurde die umfangreiche Verlagstätigkeit seines Vaters fortgesetzt, die u. a. Schul- und Sprachlehrbücher, Unterhaltungsliteratur und stadtgeschichtliche Publikationen umfaßte. K. war 1883 Initiator und Gründungsmitglied sowie von 1883 bis 1895 Erster Vorsitzender des Sächsisch-Thüringischen Buchhändler- Verbandes. Er widmete sich dem initiativen Kampf um den Schutz des Ladenpreises gegen das grassierende Rabatt- Unwesen (Buchpreisbindung) und setzte sich für die Sicherung des beruflich qualifizierten Buchhandels gegen die sogenannten “Buchbinder-Kommissionäre” ein. Unter seiner Leitung wurde 1891 die vom Deutschen Börsenverein unter Mitwirkung der Provinzialvereine erarbeitete “buchhändlerischen Verkehrsordnung” angenommen. K. war ab September 1895 Ehrenbeisitzer im Vorstand des Verbandes und wurde 1899 zum Ehrenmitglied des Buchhändlerverbandes gewählt. Der musikalisch begabte K. war zudem kurz nach seiner Gründung dem Tonkünstlerverein in Magdeburg beigetreten und spielte jahrzehntelang in den Quartetten und Trios die Cellopartien. Er bestimmte weitgehend das kammermusikalische Programm des Tonkünstlervereins, dessen Konzertproben im Hause K.s stattfanden, und war langjährig an hervorragender Stelle im Konzertvorstand der Harmonie tätig, die seinerzeit die besten Künstlerkonzerte Magdeburgs bot. Er gehörte der Armendeputation der Stadt an (vor 1865), war ab Mitte 1865 gewähltes Mitglied des Stadtrates in Magdeburg (ehrenamtliche Tätigkeit bis 1890) und wurde zuletzt mit dem Ehrentitel “Stadtältester” verabschiedet. Als Stadtrat zeichnete er für die Provinzial-Städte- Feuersocietät verantwortlich. Auf Antrag der Sozietät übernahm er 1878 deren Magdeburger Direktion, die er bis zu seinem Tod erfolgreich innehatte.
Literatur: Georg Müller (Hg.), Der Sächsisch-Thüringische Buchhändler-Verband 1883–1933, 1933, 9–12, 41–49, 83f. (*B).
Guido Heinrich
letzte Änderung: 10.02.2005
letzte Änderung: 10.02.2005