Thormählen, Emil, Prof.
geb. 24.05.1859 Moorhusen/Holstein,
gest. 01.04.1941 Bad Kreuznach,
Architekt, Kunstgewerbelehrer.

Der Sohn eines wohlhabenden Marschbauern besuchte in seinem Heimatort die Volksschule, wurde später Schüler der privaten Kaufmannsschule Thurn in Altona und absolvierte nach deren Abschluß eine Lehre bei einem Bauunternehmer. In Altona belegte er nebenbei Kurse der Abend- und Sonntagsschule, um sich auf den Besuch der Gewerbeschule in Hamburg vorzubereiten. 1877 begann T. ohne Abitur ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule Hannover und ging 1879 als Bauführer nach Berlin. Neben seiner praktischen Arbeit unter Bauinspektor Haesecke (Mitarbeit beim Bau der Bahnhöfe Alexanderplatz und Friedrichstraße) hörte er Vorlesungen an der Bauakademie und belegte philosophische und nationalgeschichtliche Seminare an der Universität. 1882 erteilte T. kurzzeitig an der Berliner Baugewerkschule Zeichenunterricht und trat 1883 eine Stelle als Bibliothekar und Lehrer für Kunstgeschichte und Technisches Zeichnen an der Zeichenakademie zu Hanau an. Während seiner Hanauer Zeit engagierte er sich im Geschichtsverein und in der Limes-Forschung und erweiterte durch mehrere ausgedehnte Studienreisen seinen kunsthistorischen Horizont. Ab 1889 leitete T. im Nebenamt in Hanau eine der ersten gewerblichen Fortbildungsschulen in Deutschland. 1897 trat er als Nachfolger von Ferdinand Moser das Amt des Direktors der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule in Magdeburg an. T. hatte wenig eigene künstlerische Ambitionen, stand jedoch auf der Höhe der Zeit hinsichtlich notwendiger Reformen der kunstgewerblichen Ausbildung. Mit seinen Vorstellungen von einem dualen Bildungssystem aus Handwerker-Fachschulen und Hochschulen für das Kunstgewerbe mit Betonung der künstlerischen Aspekte nahm T. Entwicklungen voraus, die später Allgemeingut der Reformbemühungen in Deutschland wurden. Er strebte in der Endkonsequenz die Schaffung einer Hochschule für Gestaltung an, wie sie später im Bauhaus Dessau Wirklichkeit wurde. In Magdeburg konnte er dieses Ziel durch Widerstände der Administration und akuten Raummangel nur teilweise erreichen. Dennoch gelang es T., durch die Reform der Lehrpläne und durch eine zielgerichtete Personalpolitik die Magdeburger Schule zu einer erstrangigen Lehranstalt zu erheben, die mit ihren Resultaten auch internationale Beachtung fand. Das Kollegium wuchs unter seiner Regie auf 60 Lehrkräfte an. Zu den Neuen gehörten u. a. die Architekten Albin Müller und Rudolf Rütschi, die Maler Paul Lang und Paul Bürck, später auch Ferdinand Nigg und Max Köppen sowie die Keramiker Hans von Heider und Fritz von Heider. T. setzte eine Erhöhung des Schuletats durch, betrieb den Schulneubau in der Brandenburger Straße, der 1910 eingeweiht wurde, bemühte sich um die Einrichtung von Fachwerkstätten und förderte die enge Kooperation mit der Industrie. Die erfolgreiche Präsentation der Schule auf internationale Ausstellungen war wesentlich T.s Verdienst, so u. a. auf den Weltausstellungen in Paris (1900) und St. Louis (1904) sowie auf der III. Deutschen Kunstgewerbeausstellung in Dresden (1906). T. bereiste 1904 im Auftrag der preußischen Regierung die USA, um den dortigen Kunstgewerbe- und Kunstunterricht zu studieren. 1907 gehörte er neben Friedrich Naumann, Hermann Muthesius, Peter Behrens und Fritz Schumacher zu den Begründern des Deutschen Werkbundes. 1910 wurde T. als Direktor an die Kunstgewerbe- und Handwerkerschule der Stadt Köln berufen, die eine Neuorientierung der Schule nach dem Magdeburger Vorbild wünschte. Zur Unterstützung seiner Pläne bewegte er die befreundeten Professor Paul Bernardelli und Ferdinand Nigg, ihm nach Köln zu folgen. Seine konsequente Arbeit führte erwartungsgemäß auch zum Aufschwung der Kölner Schule. Der in diesem Zusammenhang geplante großzügige Schulneubau konnte allerdings durch den Ausbruch des I. Weltkrieges nicht realisiert werden, wurde auch nach Kriegende nicht sofort in Angriff genommen und führte zu T.s vorzeitigem Rückzug vom Amt. 1919 trat er in den Ruhestand und zog sich 1931 mit seiner Familie auf das Weingut seiner Frau nach Bad Kreuznach zurück. T. verbrachte sein letztes Lebensjahrzehnt als Winzer und beteiligte sich als angesehener Bürger aktiv am Leben der Stadt.

Literatur: Wer ist’s 4, 1909; Thieme/Becker 33, 86; Jahresberichte der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule Magdeburg 1897ff.; Jahresberichte der Kunstgewerbeschule Köln 1910/11ff.; Fritz Hellwag, Die Kunstgewerbe- und Handwerkerschule Magdeburg, in: Kunstgewerbeblatt  N. F. 25, 1913/14, 201–217; Archiv der Johann-Theodor-Thormählen-Stiftung, Bad Kreuznach. Else T., Private Aufzeichnungen über meinen Mann E. T., Ms., um 1941/42; Norbert Eisold, Die Kunstgewerbe- und Handwerkerschule in Magdeburg 1793–1963, Kat. Magdeburg 1993.

Archivalien:  Geheimes StA Berlin: HA I, Rep. 120, Fach Schulen/Spec. E, Abt. X, Fach 2, No. 18, Bd. 3–12.

Bildquelle: *KHM Magdeburg: Lithographie von Richard Winckel.

Gerd Kley/Günter Paulke

letzte Änderung: 01.03.2005