Zerrenner, Carl
(Karl)
Christoph Gottlieb, Dr. phil. h.c.,
Dr. theol. h.c. |
Z. war das dritte Kind des Generalsuperintendenten und Volksaufklärers Heinrich Gottlieb Z. und seiner ersten Frau Katharina. Sein Vater erteilte ihm den ersten Unterricht. Im Hause Z. gingen bedeutende Erzieher und Schulmänner jener Zeit ein und aus, wie Salzmann, von Rochow und Basedow, die bei Z. bereits frühzeitig das Interesse an pädagogischen Fragen weckten. 1791, im Alter von elf Jahren, schickten ihn seine Eltern auf die Schule des Klosters Berge. Ab 1799 studierte Z. in Halle evangelische Theologie, hörte aber auch die Vorlesungen August Hermann Niemeyers zur Pädagogik, die ihn nachhaltig beeinflußten. Nach dem Studium ab 1802 kurze Zeit als Privatlehrer tätig, erhielt er noch im gleichen Jahr, im Alter von 22 Jahren, seine erste Stelle als Lehrer am Pädagogium des Klosters Unser Lieben Frauen in Magdeburg. Hier begann sein beeindruckender beruflicher Entwicklungsweg. Während viele junge Theologen eine erhebliche Zeit benötigten, um aus dem zumeist unbefriedigenden Schulamt in das wesentlich besser dotierte und auch mit höherer gesellschaftlicher Anerkennung verbundene Pfarramt zu gelangen, wurde Z. bereits 1805 als zweiter Prediger neben Johann Ernst Christian Blühdorn an die Heilige-Geist-Kirche in Magdeburg berufen. Als Kanzelredner und Seelsorger erwarb er sich vor allem während der französischen Besetzungszeit das Vertrauen und die Achtung seiner Gemeinde. Nachdem ab 1814 Magdeburg wieder preußisch war und insbesondere nach dem Amtsantritt von Oberbürgermeister August Wilhelm Francke Mitte 1817 folgte eine Zeit umfassender Reformen und Neuerungen auf vielen Gebieten des städtischen Lebens. Ganz besonders lag Francke die Neuordnung des Schulwesens am Herzen. Hier fand er in Z., der 1816 neben Johann Friedrich Wilhelm Koch und Johann Andreas Matthias vom König zum Konsistorial- und Schulrat ernannt worden war, einen tatkräftigen Helfer. In seiner Funktion als Mitglied des Konsistoriums hatte Z. die Aufsicht über das Volksschulwesen der 1815/16 gegründeten preußischen Provinz Sachsen. Z. wurde von Francke zum Stadtschulinspektor ernannt und mit der Leitung der städtischen Schulkommission betraut, der auch Johann Georg Christoph Neide und Georg Friedrich Gerloff angehörten. Es wurden mehrere Vorschläge zur Reformierung des Magdeburger Schulwesens erarbeitet; letztlich folgte man dem Plan Z.s, der damit als eigentlicher Schöpfer des Magdeburger Schulwesens im 19. Jahrhundert anzusehen ist. Er entwarf ein System von einander ergänzenden Schulen mit fest abgestimmten Lehrplänen und regelte deren innere Organisation, Ausstattung mit Lehrerstellen wie auch die Bezahlung der Lehrer nach einheitlichen Maßstäben. Auf seine Anregung hin wurden Schulen neu errichtet oder den Bedürfnissen einer fortschrittlichen Erziehung entsprechend umgebaut. Z. gewährte mit sozialem Gespür in den Volksschulen vollkommene Schulgeldfreiheit, ließ Lehrmittel unentgeltlich zur Verfügung stellen und überwachte durch das Anlegen von Verzeichnissen aller schulpflichtiger Kinder die allgemeine Schulpflicht. Zur Durchsetzung effektiver Lehrpläne berief er nicht nur zahlreiche hervorragende Lehrer an verschiedene Schulen Magdeburgs, sondern gab im Bemühen um die Ausbildung qualifizierten Lehrernachwuchses 1823 das Predigeramt auf, um die Direktion des Königlichen Lehrerseminars in Magdeburg zu übernehmen, das zu den größten und bedeutendsten der preußischen Provinz Sachsen zählte. Mit ihm suchte Z. 1825 eine Taubstummenanstalt zu verbinden, um die Seminaristen mit Methoden des Taubstummenunterrichts vertraut zu machen – ein für die damalige Zeit geradezu sensationeller Gedanke. Mitte 1828 wurde die Anstalt eingerichtet, deren Leitung Z. innehatte. Seine Neuordnung des städtischen Schulwesens fand nicht nur nationale, sondern auch internationale Anerkennung. 1825 wurde ihm u. a. dafür die Ehrenbürgerwürde der Stadt Magdeburg verliehen. Auch Z.s pädagogische, auf den Ideen der Aufklärung fußende Schriften fanden weithin Verbreitung. Rund 30 Monographien entstammen seiner Feder, darüber hinaus eine Reihe von Aufsätzen und Lehrbüchern. Er gab pädagogische Zeitschriften heraus, u. a. in Fortsetzung den Neusten deutschen Schulfreund (1812–23), und publizierte zudem um 1838 erstmals eine Reihe von Wandtafeln für den Unterrichtsgebrauch nebst Anleitung für den Einsatz. Z. gilt als der Begründer der Bildtafelserien für den Anschauungsunterricht. Sie waren vornehmlich für den Gebrauch an Schulen des “wechselseitigen Unterrichts”, einer von ihm 1830 in Eckernförde begutachteten modifizierten Form des Bell-Lancaster-Systems, gedacht – ein weiteres, späterhin kontrovers diskutiertes Feld, auf dem Z. sich wissenschaftlich und praktisch als Vorreiter betätigte (vgl. “Ueber das Wesen und den Werth der wechselseitigen Schuleinrichtung”, 1832). Nach dem Tod Gotthilf Sebastian Rötgers wählte der Konvent des Klosters Unser Lieben Frauen Magdeburg Z. im Mai 1831 zum neuen Propst. Dieser Anerkennung seiner Leistungen folgten in kurzen Abständen weitere. 1833 wurde ihm von der Universität Leipzig die philosophische, 1834 von der Universität Halle die theologische Ehrendoktorwürde verliehen. Obgleich Z. sich als Propst und Direktor des Pädagogiums des Klosters Unser Lieben Frauen und zahlreicher weiterer Ämter mit seinem pädagogischen Plänen in zunehmendem Gegensatz zum Provinzial-Schulkollegium, zur Landesregierung und Stadtverwaltung bewegte und ab 1840 in seinem Einfluß mehr und mehr zurückgedrängt wurde, zählt er zweifellos zu den bedeutendsten Pädagogen in der Geschichte Magdeburgs.
Werke: Kurze Nachricht über das neu organisierte Schulwesen in Magdeburg, 1820; Methodenbuch für Volksschullehrer, 1820, 51839; Grundsätze der Schulerziehung, der Schulkunde und Unterrichtswissenschaft, 1824; Der neue deutsche Kinderfreund. Lesebuch für mittlere und obere Classen, 1830.
Literatur: ADB 45, 100–103; Wolfgang Mayrhofer, Intrigen und Verfassungskämpfe. Propst Z. und das Kloster nach dem Tode Rötgers, in: Matthias Puhle/Renate Hagedorn (Hg.), Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg. Stift, Pädagogium, Museum, 1995, 167–176; Maria Rayermann, C. C. G. Z. als Schulreformer und Lehrerbildner, 1985 (W); Jochen Kreinberger, C. C. G. Z. (1780–1851). Schulreformer – Lehrerbildner – Propst, in: Wolfgang Winkelmann/ders., Lehrer, Pröpste und Rektoren. Persönlichkeiten aus der Geschichte des Pädagogiums am Kloster Unser Lieben Frauen (zu) Magdeburg, 2000, 70–90, 104–110 (W, B).
Bildquellen: KHM Magdeburg; *StadtA Magdeburg.
Wolfgang Mayrhofer