Zerrenner, Heinrich Gottlieb |
Z. erhielt als Sohn des Amtsverwalters der Grafen zu Stolberg-Wernigerode seinen Elementarunterricht bei verschiedenen Hofkatecheten im gräflichen Schloß, besuchte 1759–64 die Lateinische Oberschule in Wernigerode und 1764–68 das Pädagogium des Klosters Berge bei Magdeburg. 1768–71 studierte er evangelische Theologie in Halle und hielt sich anschließend zu Privatstudien im elterlichen Haus in Wernigerode auf. 1772 wurde er als Lehrer an das Kloster Berge berufen, wo er auch kurz darauf zum Mitglied des Konvents avancierte. Bereits 1775 übernahm Z. seine erste Predigerstelle in Beyendorf und Sohlen bei Magdeburg und wechselte 1787 als Oberprediger und Schulinspektor nach Derenburg im Fürstentum Halberstadt. 1811 zum Generalsuperintendenten in Halberstadt ernannt, verstarb er noch vor dem Amtsantritt. Z. galt als vorbildlicher Landgeistlicher und Volksaufklärer, der in vielfältiger praktischer Weise für die Mitglieder seiner Gemeinden wirkte und als bedeutender Schriftsteller der Volksaufklärung allgemein Bekanntheit erlangte. In Beyendorf wurde Z. durch genaue Beobachtung mit dem Charakter, den Anschauungen und Bedürfnissen der Landbevölkerung vertraut und betrieb dort auch intensive Naturstudien, wobei ihm eigene Erfahrungen mit der Landwirtschaft, die zur Predigerstelle gehörte, nützlich waren. Während eines längeren Krankenlagers suchte er den Gemeindemitgliedern weiter “durch die Feder zu predigen” und fand während dieser Zeit den Anstoß zu einer umfassenden schriftstellerischen und publizistischen Tätigkeit. Aus den Sammlungen von Beobachtungen und Gedanken schöpfend, die er in sogenannten “Gedankenbüchern” angelegt hatte, veröffentlichte er ab 1779 Predigten insbesondere für die Landbevölkerung, die den Verfasser schnell bekannt machten. Z. stand in freundschaftlicher Beziehung zu bedeutenden Aufklärungspädagogen seiner Zeit, u. a. mit Friedrich Eberhard von Rochow und Christian Gotthilf Salzmann, den er auf einer Reise nach Erfurt und Schnepfenthal 1792 persönlich kennenlernte. Seit 1791 gab Z., der sich als Schulinspektor in Derenburg besonders mit der zweckmäßigen Verbesserung des Schul- und Unterrichtssystems befaßte, seine Erfahrungen und Ansichten in Verbindung mit bekannten Pädagogen und Theologen auch in einem von ihm herausgegebenen Periodikum unter dem Titel Der deutsche Schulfreund (1801–12 Der neue deutsche Schulfreund) weiter. Seine volksaufklärerischen Schriften – insbesondere seine methodischen Auseinandersetzungen mit Fragen und Problemen der Aufklärung der Landbevölkerung, die zu den ersten ihrer Art im deutschen Sprachraum gehörten – haben gegenwärtig im Zuge der wissenschaftlichen Erforschung der Volksaufklärung des 18. und 19. Jahrhunderts erneut verstärkte Beachtung gefunden und wurden als erstrangige Quellentexte z. T. neu aufgelegt.
Werke: Predigten, ganz und stükweise, für die lieben Landleute (2 Bde), 1779–1781, 21785; Natur- und Akkerpredigten, oder Natur- und Akkerbau als eine Anleitung zur Gottseligkeit, ganz für Landleute, 1783; Christliche Volksreden über die Evangelien für Landleute, 1785 (mit Christian Ludewig Hahnzog); Volksaufklärung. Uebersicht und freimüthige Darstellung ihrer Hindernisse nebst einigen Vorschlägen, denselben wirksam abzuhelfen, 1786 (Repr. 2001); H. G. Z. (Autobiographie), in: Allgemeines Magazin für Prediger, Bd. 7, 4. Stück, 1792, 456–490; zudem einige Religions-Lehrbücher, sowie Andachts- und Vorlesebücher für Lehrer und Kinder.
Literatur: ADB 45, 96–99; RGG 6, 31962; Heinrich Döring, Die gelehrten Theologen Deutschlands im 18. und 19. Jahrhundert., Bd. 4, 1835.
Bildquelle: Allgemeimes Magazin für Prediger nach den Bedürfnissen unserer Zeit, Bd. 7, 4. Stück, 1792 (Frontispiz).
Guido Heinrich