Delbrück, Johann Friedrich Gottlieb, Dr. phil., Dr. theol. h.c.
geb. 22.08.1768 Magdeburg,
gest. 04.07.1830 Zeitz,
Lehrer, Schulrektor, Prinzenerzieher, Superintendent.

Der älteste Sohn des Ratsherrn Friedrich Heinrich D. besuchte wie seine Brüder Ferdinand D. und Gottlieb D. die Magdeburger Domschule unter Gottfried Benedict Funk und studierte danach von 1787 bis 1790 evangelische Theologie, Philologie und Philosophie in Halle. Wichtig war für ihn während des Studiums vor allem der Besuch des philologischen Seminars von Friedrich August Wolf, bei dem er promovierte. 1790 kehrte D. nach Magdeburg zurück und arbeitete zunächst als Lehrer am Gymnasium der Altstadt.1792 wechselte er in gleicher Funktion an das Magdeburger Pädagogium am Kloster Unser Lieben Frauen. Schon wenige Wochen später ernannte ihn dessen Propst Gotthilf Sebastian Rötger zum Rektor. Neben der gewissenhaften Organisation der Schule galt D.s pädagogische Vorliebe der Philologie. Er verfaßte mehrere Schriften zu didaktisch-methodischen Fragen des Sprachunterrichts. D. hatte großen Anteil an der Etablierung des wissenschaftlichen Buchhändlers und Verlegers Georg Christian Keil, mit dem er zusammen 1796 das Privileg für eine neuzugründende Verlagsbuchhandlung in Magdeburg erhielt. Auch als Autor und Herausgeber der Magdeburgischen gemeinnützigen Blätter (1789–1790) und des Patriotischen Archivs für das Herzogthum Magdeburg (1791–93), das u. a. erstmalig Berichte über Magdeburger Bühnenaufführungen brachte, trug er zur Belebung des literarischen Lebens der Stadt bei. 1800 berief ihn der preußische Hof zum Erzieher des Kronprinzen, des späteren Königs Friedrich Wilhelm IV. 1801 übernahm er auch die Erziehung des späteren Kaisers Wilhelm I. Ausschlaggebend für die Wahl D.s als Erzieher war das Votum von August Hermann Niemeyer aus Halle, in dessen Haus er während des Studiums gewohnt hatte. Die für D. sehr angenehme Zeit am preußischen Hof – die königliche Familie befand sich 1806 bis 1809 in Memel und Königsberg – wurde 1809/10 beendet, als man ihn, zum Geheimen Regierungsrat mit lebenslanger Pension befördert, von seinen Aufgaben entband. Offenbar fand damit sein Bestreben, die Prinzen zu wissenschaftlich und ästhetisch gebildeten und moralisch guten Bürgern zu erziehen, an den Erfordernissen der Politik seine Grenzen. Daraufhin kehrte er nach Magdeburg zurück und brachte hier seine als Hauptwerk anzusehenden “Ansichten der Gemüthswelt” (1811), eine Summe seiner pädagogischen Erfahrungen in Magdeburg und Berlin, bei Wilhelm von Heinrichshofen zum Druck. Zwischen 1811 und 1813 unternahm er eine ausgedehnte Reise durch Frankreich, Italien und die Schweiz. In der Schweiz hielt er sich längere Zeit in Iferten bei Pestalozzi auf. Als der Feldzug gegen Napoleon begann, verließ D. Iferten und arbeitete in böhmischen Lazaretten. Von dort gelangte er nach Berlin und war als Prediger und Lehrer an der Luisenstiftung tätig. Dort lernte er auch seine spätere Frau Emilie Meckelnburg kennen. Aus der 1815 geschlossenen Ehe ging u. a. der Sohn Rudolf Martin Friedrich (geadelt 1896), der spätere preußische Staatsminister und erste Präsident des Bundeskanzleramtes des Norddeutschen Bundes, hervor. Im Juni 1817 übernahm D. die Superintendentur Naumburg-Zeitz und siedelte nach Zeitz über. Dort galt sein besonderes Interesse der Verbesserung des Schulwesens, wobei er die Ideen und Erfahrungen Pestalozzis berücksichtigte. Die Kontakte nach Berlin und Magdeburg bestanden fort. Bis zu seinem Tode stand er in einem sehr engen Verhältnis zu seinen ehemaligen Zöglingen Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. Beide ließen ihm in Zeitz durch Karl Friedrich Schinkel ein Grabmal errichten, das erhalten geblieben ist. Das Archiv der Familie D. befindet sich seit 1999 als Depositum im Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen in Magdeburg.

Werke: Aristotelis Ethicorum Nicomacheorum adumbratio ad nostrae philosophiae rationem facta, Diss. Halle 1790; Darstellung meiner Methode beym philologischen Unterrichte in der ersten Classe des Pädagogiums, in: Jb. des Pädagogiums zu Lieben Frauen in Magdeburg, 1794, 1–60; Deutsche sinnverwandte Woerter, verglichen in Hinsicht auf Sprache, Seelenlehre und Moral, 1796; Georg Schuster (Hg.), Die Jugend des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und des Kaisers und Königs Wilhelm I., Tagebuchblätter ihres Erziehers F. D. 1800–1809 (3 Bde), 1907 (B).

Literatur: Neuer Nekr 8, 1832, 543ff.; Ersch/Gruber, Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste, Sektion A, Bd. 23, 362–364; Aus der Vergangenheit der Familie D., 1901; Martin Wiehle, Über die Magdeburger Familie D., in: Matthias Puhle/Renate Hagedorn (Hg.), Zwischen Kanzel und Katheder. Das Magdeburger Liebfrauenkloster vom 17. bis 20. Jahrhundert, 1998, 71–75.

Bildquelle: *Kunstmuseum Kloster Unser  Lieben Frauen Magdeburg.

Uwe Förster

geändert: 09.06.2004