Niemeyer,
Wilhelmine Marianne |
Die Tochter aus der ersten Ehe des Magdeburger Kreisphysikus Carl Eduard N. verlor bereits im sechsten Lebensjahr ihre Mutter. Vom vielbeschäftigten Vater vernachlässigt und der seit 1827 im Hause lebenden Stiefmutter entfremdet, wurde ihr nur eine schulische Grundausbildung zuteil. Sie absolvierte bis 1832 eine Magdeburger Töchterschule, erhielt danach privaten Sprachunterricht und besuchte 1834-35 die Konfirmationsstunden des Magdeburger Dompredigers Bernhard Dräseke. Ihre eigentliche Erziehung verdankte sie jedoch der Großmutter Agnes Wilhelmine N. (1769-1847), der ältesten Tochter Friedrich von Köpkens und Gattin des Hallenser Kanzlers August Hermann N., die von N. wiederholt als „der gute Genius meines Lebens“ (F. Wolff, Marianne Wolff, 1925, 15) bezeichnet wurde. Aufgrund der anhaltenden Kränklichkeit ihrer Stiefmutter wurde N. ab 1835 vom Vater zunehmend mit der Führung des Haushalts und der Erziehung der jüngeren Geschwister betraut. Während dieser Zeit entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft mit Gustav zu Putlitz, einem Klassenkameraden ihres Bruders Felix N. Nachdem Ende 1837 auch ihr Vater früh verstorben war, wurde die Vollwaise mit ihren Geschwistern unter die Vormundschaft des Lehrers Ferdinand Immermann gestellt und siedelte Anfang 1838 zu ihrer Großmutter nach Halle über. Im Hause ihres Magdeburger Vormunds lernte sie bei einem Besuch im Herbst 1838 anläßlich eines Familientreffens den Dichter Carl Leberecht Immermann kennen, den sie ein Jahr später heiratete. Beide empfanden die Verbindung als persönliche Befreiung aus verwirrenden Lebensumständen und als außergewöhnliches Glück. N. siedelte Ende 1839 nach Düsseldorf über und wurde durch Immermann in dessen umfangreichen Freundeskreis eingeführt. Die innige Verbindung mit dem Dichter fand jedoch bereits Ende August 1840 unmittelbar nach der Geburt der gemeinsamen Tochter ein jähes Ende, als Immermann an einer Lungenentzündung starb. Auch die folgenden Jahre lebte N. von einer durch Freunde ausgewirkten königlichen Pension mit ihrer Tochter in Düsseldorf und arbeitete nebenher als Erzieherin. Erst im Frühjahr 1847 siedelte N. nach Hamburg über, um dort die Führung des Haushalts von Julius Guido Wolff (geb. 11.08.1803 Magdeburg, gest. 14.05.1880 Hamburg) zu übernehmen. Der Kaufmann und Direktor der 1846 eröffneten Berlin-Hamburger Eisenbahn hatte sie nach dem Tod seiner Frau Wilhelmine Marie N., der jüngsten Tochter der Hallenser Kanzlerin, darum gebeten. N. widmete sich ganz der neuen Aufgabe und heiratete Wolff Ende 1847. In ihrem Hamburger Wirkungskreis wurde sie stark durch ihren strenggläubigen Mann beeinflußt, der sich als Jurat (Mitglied des Kirchenvorstandes) der St. Katharinen-Kirche, als aktives Mitglied des Gustav-Adolph-Vereins, der Hamburger Bibel-Gesellschaft und als Verwaltungsratsmitglied des „Rauhen Hauses“ unter der Leitung seines Freundes Johann Hinrich Wichern intensiv den Arbeiten der Inneren Mission widmete. N. betätigte sich langjährig in der Hamburger Armen- und Krankenpflege (Sievekingscher Verein), im Vaterländischen Frauenverein und in der Mädchenerziehung. In ihrem gastfreien Haus verkehrten zahlreiche Persönlichkeiten aus dem Hamburger Kunst- und Kulturleben. N. pflegte weiterhin ausgedehnte Briefkontakte, u.a. mit den Dichtern Ludwig Tieck, Friedrich von Uechtritz, Emanuel Geibel und Paul Heyse, dem Kunsthistoriker Karl Schnaase u.v.a. Dem Andenken Immermanns widmete N. eine umfangreiche, auf persönliche Dokumente gestützte Arbeit, die ihr Freund Putlitz bearbeitete und 1870 herausgab.
Werke: Gustav zu Putlitz (Bearb., Hg.): Carl Immermann. Sein Leben und seine Werke, aus Tagebüchern und Briefen an seine Familien zusammengestellt (2 Bde), 1870.
Literatur: Elisabeth zu Putlitz (Bearb.), Gustav zu Putlitz. Ein Lebensbild, aus Briefen zusammengestellt und ergänzt, 1894; Johannes Geffcken, Marianne, in: Otto Heinrich Geffcken/ders. (Hg.): Karl Immermann. Eine Gedächtnisschrift zum 100. Geburtstage des Dichters, 1896, 205-220; Meta Wolff, Erinnerungen an Marianne Wolff, geb. N., verw. Immermann, in: Familien-Nachrichten für die Nachkommen A.H. Franckes, Heft 4/5, 1914/15, 1-41; Kurt N. (Bearb.), Stammtafeln des N.schen Geschlechts, 41915, 45, 47; Werner Deetjen, Immermanns Gattin. Unveröffentlichte Briefe, in: Die Literarische Gesellschaft 3, H. 4, 1917, 109-118; Philipp Witkop, Frauen im Leben deutscher Dichter, 1922, 98-121 (B); Felix Wolff, Auf dem Berliner Bahnhof. Das Leben einer Hamburger Familie um 1860, 1925; ders. (Hg.), Marianne Wolff, geborene N., die Witwe Karl Immermanns. Leben und Briefe, 1925 (B); ders. (Hg.), Marianne Wolff, eine deutsche Frau. Briefe an einen englischen Freund, 1928; Peter Hasubek (Hg.): Karl Leberecht Immermann. Briefe (3 Bde), 1978-1985; Peter Hasubek (Hg.): Karl Immermann. Zwischen Poesie und Wirklichkeit, Tagebücher 1831-1840, 1984.
Bildquelle: *Felix Wolff (Hg.), M. Wolff, geb. N., die Witwe Karl Immermanns. Leben und Briefe, 1925.
Guido Heinrich
letzte Änderung: 17.01.2005