Immermann, Carl
Leberecht, Dr. phil. h.c. |
Der in Magdeburg geborene Schriftsteller war der Sohn des preußischen Kriegs- und Domänenrates Gottlieb Lebrecht I., der ihn in den Anschauungen und Normen der bürgerlichen Mittelschicht am ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts erzog, die ihre Säulen in der preußischen Monarchie und der (protestantischen) Kirche hatte. Nach dem Besuch des Pädagogiums des Klosters Unser Lieben Frauen in Magdeburg, wo er 1813 die Reifeprüfung ablegte, nahm I. in Halle ein Jurastudium auf, das er nach Unterbrechungen durch Krankheit und durch die Kriegsereignisse – er nahm am Frankreichfeldzug 1815 teil – 1817 abschloß. Die sich anschließende juristische Ausbildung absolvierte I. in Oschersleben, Magdeburg, Münster und wieder Magdeburg, wo er in den Jahren 1824 bis 1827 als Kriminalrichter tätig war. Seit 1827 bis zu seinem Tode lebte er als Landgerichtsrat in Düsseldorf und leitete hier nach einer Vorbereitungsphase (1832–1834) auch das Düsseldorfer Stadttheater 1834–1837. Den größeren Teil seines Lebens bis zum 27. Lebensjahr verbrachte I. in der Magdeburger Region. In diese Zeit fallen die Anfänge seiner schriftstellerischen Tätigkeit. Das Spektrum seiner literarischen Arbeiten, die teilweise auch während seiner Münsteraner Zeit verfaßt wurden, reicht von der Lyrik (“Gedichte”, 1822) über Lustspiele (“Die Prinzen von Syracus”, 1821; “Das Auge der Liebe”, 1824), Tragödien (“Das Thal von Ronceval”, “Edwin”, “Petrarca”, alle 1822) bis zu epischen Werken (“Die Papierfenster eines Eremiten”, 1822; “Der neue Pygmalion”, 1824). Allen diesen dichterischen Versuchen ist mehr oder weniger stark die Beeinflussung durch Vorbilder anzumerken: Sophokles, Shakespeare, Schiller, Goethe und die Romantik. Diese erste Phase seines Lebens und Schaffens war durch das Anknüpfen von Kontakten mit namhaften Persönlichkeiten der Zeit gekennzeichnet (Abecken, Heine, Goethe, Tieck, von Uechtritz, Fouqué, Varnhagen von Ense u. a.). In seine Zeit als Auditeur in Münster fiel die folgenschwere Begegnung mit Elisa von Lützow, die sich 1825 von Adolph von Lützow scheiden ließ und bis 1839 mit I. zusammenlebte. Während seiner Tätigkeit als Landgerichtsrat in Düsseldorf entstanden seine bedeutenden literarischen Werke: mehrere Lustspiele, die Tragödien “Das Trauerspiel in Tyrol” (1828, bereits in Magdeburg begonnen), die Trilogie “Alexis” (1832), die ‚Mythe’ “Merlin” (1832) und das komische Versepos “Tulifäntchen” im Revolutionsjahr 1830. Vor allem aber erschienen seine bedeutenden zeitkritischen Romane “Die Epigonen” (1836) und “Münchhausen. Eine Geschichte in Arabesken” (1838/39). In lockerer Anlehnung an den Bildungsroman Goethescher Prägung gestaltet I. mit den “Epigonen” den Typus des Zeitromans, für den es wichtiger ist, die Fülle der zeitgeschichtlichen Strömungen zu zeichnen als das Schicksal eines individuellen Helden. In dem Doppelroman “Münchhausen” wird einerseits die kritisch-satirische Schicht früherer Werke verstärkt, andererseits stellt I. diesem negativen Bild der Wirklichkeit das positve der ländlichen Oberhofwelt gegenüber. Die Düsseldorfer Jahre waren geprägt von I.s Kontakten zu den Düsseldorfer Malern und seinen Bemühungen um eine Theaterreform als Intendant des Düsseldorfer Stadttheaters. In den letzten Jahren verfaßte I. interessante autobiographische Schriften (“Grabbe”, 1838; “Die Jugend vor fünfundzwanzig Jahren”, 1840; “Düsseldorfer Anfänge. Maskengespräche”, 1840). – Insgesamt war die Düsseldorfer Lebensphase reich an Freundschaften und Kontakten mit Schriftstellern und anderen Zeitgenossen (Michael Beer, Heine, Grabbe, Tieck, von Uechtritz, Freiligrath, Gutzkow, Wilhelm Schadow, Karl Schnaase u. a.). I. wurde 1838 durch die Philosophische Fakultät der Universität Jena zum Ehrendoktor ernannt.
Werke: Werke (5 Bde), hg. von Benno von Wiese, 1971–77; Briefe. Textkritische und kommentierte Ausgabe. Unter Mitarbeit von Marianne Kreutzer hg. von Peter Hasubek (3 Bde), 1978–87; Zwischen Poesie und Wirklichkeit. Tagebücher 1831–1840. Nach den Handschriften unter Mitarbeit von Bodo Fehlig hg. von Peter Hasubek, 1984.
Nachlaß: Goethe- und Schiller-Archiv Weimar; Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf; Stadtbibliothek Dortmund.
Literatur: ADB 14, 57–63; NDB 10, 159–163; Kosch LL 8, Sp. 367–370; Killy 6, 27; Mitteldt Leb 1, 142–152; Manfred Windfuhr, I.s erzählerisches Werk. Zur Situation des Romans in der Restaurationszeit, 1957; Benno von Wiese, K. I. Sein Werk und sein Leben, 1969; Peter Hasubek, K. L. I. Ein Dichter zwischen Romantik und Realismus, 1996; ders. (Hg.), Epigonentum und Originalität. I. und seine Zeit – I. und die Folgen, 1997; Markus Fauser, Intertextualität als Poetik des Epigonalen. I.-Studien, 1999; I.-Jb. Beiträge zur Literatur- und Kulturgeschichte zwischen 1815 und 1840, Bd. 1, 2000.
Bildquelle: *KHM Magdeburg.
Peter Hasubek