Niemeyer, Felix von (seit 1866), Prof. Dr. med.
geb. 31.12.1820 Magdeburg,
gest. 14.03.1871 Tübingen,
Arzt.

N., Enkel des Hallenser Theologen und Universitätskanzlers August Hermann N. und Sohn des Magdeburger Kreisarztes Carl N., absolvierte das Pädagogium des Klosters Unser Lieben Frauen in Magdeburg und erwarb hier 1839 sein Abitur. Anschließend studierte er in Halle Medizin, promovierte 1843 und wurde Assistent von Peter Krukenberg in Halle. Es schlossen sich Studienaufenthalte in Prag in Wien bei Carl von Rokitansky an. 1844 ließ sich N. in Magdeburg nieder, übernahm eine Armenarztstelle und gründete gemeinsam mit Theodor Sendler, Karl Schneider und  Franz Bette am 29.03.1848 die Medizinische Gesellschaft zu Magdeburg, eine der ersten Medizinischen Gesellschaften Deutschlands. Die Gründer verstanden sich als Vertreter der neuen naturwissenschaftlichen Schule der Medizin und leiteten damit deren Epoche in Magdeburg ein. Bei den älteren Ärzten war N. von da an gefürchtet, und die Medizinische Gesellschaft wurde mit Mißtrauen bedacht. 1853 wurde N. vom Magdeburger Magistrat als Nachfolger von Ferdinand Kersten zum Leiter der Medizinischen Klinik des Krankenhauses Altstadt gewählt. Hier sammelte und veröffentlichte N. mit Unterstützung seiner Kollegen von der Medizinischen Gesellschaft „Klinische Mitteilungen“ (1855), die zur Basis seines später weitverbreiteten und in sieben Sprachen übersetzten „Lehrbuches der speciellen Pathologie und Therapie“ gediehen. Dieses zeichnete sich durch Bündigkeit und Klarheit des Stils, Anschaulichkeit der Krankheitsbilder und Verläßlichkeit der Heilmittelindikationen vor vielen anderen seiner Zeit aus. Bereits 1855 wurde N. zum ordentlichen Professor für Innere Medizin an die Medizinischen Fakultät der Universität Greifswald und 1860 in gleicher Funktion auf den Lehrstuhl für Innere Medizin der Universität Tübingen berufen. Für die Berufung nach Greifswald soll die Befürwortung durch das Provinzial-Medizinalkollegium in Magdeburg ausschlaggebend gewesen sein, das als Repräsentant der älteren Ärztegeneration N. aus Magdeburg entfernen wollte. In Tübingen genoß N. schnell breite Anerkennung und große Popularität als beratender Arzt und Therapeut. 1865 wurde er konsultierender Leibarzt König Carls I. von Württemberg und erhielt 1866 mit dem Titel eines Ritters des Ordens der Württembergischen Krone I. Klasse auch den persönlichen Adel. Während des deutsch-französischen Krieges 1870/1871 fungierte N. als konsultierender Arzt aller Militärspitäler im Bereich des General-Gouvernements Lothringen und wurde 1871 zum Ritter des Eisernen Kreuzes am weißen Bande geschlagen. Er starb nach der Rückkehr aus dem Feld an einem Nieren- und Lungenleiden. N., der Mitglied und Ehrenmitglied physikalischer und medizinischer Gesellschaften war, zählt zu den bedeutendsten Klinikern des 19. Jahrhunderts.

Werke: Die asiatische Cholera, ein primär-örtliches Leiden der Darmschleimhaut, in: Die medicinische Reform. Eine Wochenschrift 1, Nr. 19, 1848, 134-138; Die symptomatische Behandlung der Cholera mit besonderer Rücksicht auf die Bedeutung des Darmleidens, 1849; Klinische Mittheilungen aus dem Städtischen Krankenhause zu Magdeburg, 1855; Lehrbuch der speciellen Pathologie und Therapie mit besonderer Rücksicht auf Physiologie und pathologische Anatomie, 1858, 111884-1885 (2 Bde, später bearbeitet von Ludwig Seitz); Eugen Ott (Hg.), Klinische Vorträge über die Lungenschwindsucht, 1867.

Literatur: ADB 23, 680–682; NDB 19, 234; Hugo von Ziemssen, F. v.N., in: Deutsches Archiv für klinische Medizin 8, 1871, 427-444; N.N., F. v.N. Ein Nekrolog, in: Berliner klinische Wochenschrift 8, H. 16, 1871, 189-191; August Hirsch (Hg.), Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker (vor 1880), Bd. 4, 1886, 367f.; Julius Pagel (Hg.), Biogaphisches Lexikon hervorragender Ärzte des 19. Jahrhunderts, 1901, 1207f. (B); Kurt N. (Bearb.), Stammtafeln des N.schen Geschlechts, 41915, 47; Familien-Nachrichten für die Nachkommen A.H. Franckes, Bd. 8, 1926, 9-21 (B); Rudolf Habs, Geschichte der Medizinischen Gesellschaft in Magdeburg, gegründet am 29. März 1848. Eine Festgabe zu ihrem 80jährigen Bestehen, 1928, 11–13.

Bildquellen: Institut für Geschichte der Medizin der Universität Greifswald; *Sammlung Horst-Peter Wolff, Qualzow (privat).

Horst-Peter Wolff / Guido Heinrich

 

geändert: 26.09.2005