Tell, Werner |
Der Sohn des kaufmännischen Beamten Werner T. besuchte 1908–12 die Sudenburger Bürgerschule und 1912–21 das Magdeburger Domgymnasium (Abitur 1921). Seine musikalische Ausbildung erhielt er durch Privatunterricht. 1912–19 war er Schüler von Richard Kuhne (Klavier, seit 1914 gelegentliche Unterweisungen im Orgelspiel und in Musiktheorie), und im Anschluß daran nahm er bis 1924 Unterricht bei Otto Volkmann (Harmonielehre und Kontrapunkt). Die kontrapunktischen Studien setzte er 1924–26 bei Fritz Kauffmann fort. Orgelunterricht erhielt er in den Jahren 1921–23 und 1926–28 bei Georg Sbach. Seit 1920 läßt sich T.s Mitwirkung an öffentlichen Konzerten nachweisen. Auch als Musiklehrer betätigte er sich. 1923 folgte er Sbach im Amte des Organisten an St. Katharinen in Magdeburg und legte 1929 die Organistenprüfung (A) an der Staatlichen Akademie für Kirchen- und Schulmusik in Berlin-Charlottenburg ab. Nach der Dienstenthebung seines Lehrers Sbach übernahm T. 1934 die Nachfolge als Stadthallenorganist. In den 1930er Jahren war er Leiter der Fachschaft Evangelische Kirchenmusik Magdeburg und Mitglied der Prüfungsausschusses für die Privatlehrerprüfung. 1942 erfolgte T.s Ernennung zum Kirchenmusikdirektor. Im Herbst desselben Jahres unternahm er gemeinsam mit dem Berliner Sänger Kurt Wichmann eine Konzertreise in die Ukraine. 1943 hatte er kurzzeitig die kommissarische Leitung der Kirchenmusikschule Halle inne. Nach der Zerstörung der Magdeburger Katharinenkirche im Januar 1945 wirkte er bis März 1951 als kommissarischer und ab April 1951 als hauptamtlicher Organist an der Ambrosiuskirche. 1957 wurde er zum Propsteikirchenmusikwart ernannt, 1959 zum Kreiskirchenmusikwart. Er brach am 12.11.1963 während einer Probe zu Bachs H-Moll-Messe zusammen und verstarb kurz darauf. T. war einer der aktivsten Magdeburger Kirchenmusiker, der durch Orgelkonzertzyklen (Bach, Reger) und Aufführungen von Oratorien das Magdeburger Musikleben wesentlich mitbestimmte. Die ersten Konzerte nach Kriegsende veranstaltete T. mit den Resten der traditionsreichen Magdeburger Chöre. Bereits im Juni begann seine Reihe der Orgelfeierstunden, die später durch die Stadt übernommen wurden. Der hervorragende Pianist musizierte gemeinsam mit dem Quartett von Otto Kobin. T. gehört zu den Begründern der Magdeburger Telemann- Pflege. Anfang der 1930er Jahre wurde T. durch Erich Valentin auf Telemann aufmerksam gemacht. Fortan widmete er sich dessen Werken, einige gab er im Bärenreiter-Verlag Kassel heraus. 1961 war er Gründungsmitglied des Arbeitskreises Georg Philipp Telemann im Deutschen Kulturbund. T. wies sich in mehreren Beiträgen über J. S. Bach als Kenner, insbesondere seiner Musik für Tasteninstrumente, aus. Als Musikpädagoge war T. allgemein beliebt, seine knappen musiktheoretischen Leitfäden (Harmonielehre, Kontrapunkt usw.) und seine weit verbreitete Orgelschule verraten pädagogisches Geschick. Seine Zeitgenossen berichten von T.s bescheidener und liebevoller Art im Umgang mit seinen Schülern. 1959 gründete er den Magdeburger Kantatenchor (seit 1966 unter Leitung von Kirchenmusikdirektor Jürgen Irmscher), dessen Grundstock von Teilnehmern der von T. geleiteten C-Kurse für Kirchenmusiker gebildet wurde.
Werke: Schriften und Lehrwerke: Notizen zum Orgelbau, 1941; Einführung in die Harmonielehre, 1941; Einführung in das Orgelspiel, 1941; Leichte Orgelmusik für den Gottesdienst, 1941; Kleine Harmonielehre, 1942; Die Kirchentonarten und ihre Harmonik, 1949; Von der Orgel und vom Orgelspiel, 1949; Schule des gottesdienstlichen Orgelspiels, 1950; Neues Lehrbuch des Kontrapunkts, 1953; Grundriß der Harmonielehre, 1953; Improvisationslehre für die Orgel, 1954; Bachs Orgelwerke für den Hörer erläutert. Nebst einem Anhang: Die “Kunst der Fuge” und das “Musikalische Opfer” als Orgel- werke, 21955; Kleine Geschichte der deutschen evangelischen Kirchenmusik, Liturgik und Hymnologie, 1962; Kantor des Harmonischen Gottesdienstes. Ad honorem Georg Philipp Telemann, in: Der Neue Weg, vom 31.03./01.04.1962. – Hg.: G. Ph. Telemann, Jauchzt ihr Christen, seid vergnügt, 1933; ders., Gott will Mensch und sterblich werden, 1933; J. S. Bach, Kleine Präludien und Fugen für die Orgel, 1949; J. S. Bach, 25 Lieder aus dem Schemellischen Gesangbuch, für vierstimmigen Chor gesetzt von W. T., 1951; Kleines zweistimmiges Choralbüchlein, 1953; Dreistimmiges Choralbüchlein für gleiche Stimmen, 1954; G. Ph. Telemann, Sechs Fantasien und sechs Fugen für Klavier, 1965.
Nachlaß: Zentrum für Telemann-Pflege und -Forschung Magdeburg.
Literatur: Georg Eberhard Jahn, Abschied von W. T., in: Musik in der Kirche 34, H. 1, 1963, 45f.
Archivalien: AKPS: Rep. A, Spec. G, A 17290 und A 17285.
Bildquellen: *Zentrum für Telemann-Pflege und -Forschung Magdeburg; Ralph-J. Reipsch, Magdeburg (privat).
Ralph-J. Reipsch