Schneider, Ludwig
Karl Eduard |
Der Sohn eines Zichorienfabrikbesitzers studierte nach dem Besuch des Gymnasiums des Klosters Unser Lieben Frauen in Magdeburg Jura und Naturwissenschaften an den Universitäten Berlin (bei Carl Sigismund Kunth) und Jena, wo er auch aktiver Burschenschaftler war. 1833 trat er als Auskultator in den juristischen Vorbereitungsdienst beim Oberlandesgericht Magdeburg ein. 1834 wurde er wegen seiner aktiven Burschenschaftler-Tätigkeit entlassen und nahm daraufhin erneut naturwissenschaftliche Studien an der Universität in Berlin auf. Im Sommer durchstreifte er erstmals botanisierend die Umgebung Berlins. Nachdem einem 1839 eingereichten Gnadengesuch stattgegeben worden war, arbeitete er zunächst am Landgericht in Berlin, ging aber bald als Regimentsreferendar nach Erfurt. 1844 wurde er zum Bürgermeister der aufstrebenden Industriestadt Schönebeck gewählt. Hier führte er Bürgerversammlungen ein, um die Bürger für die Fragen der Kommunalpolitik zu interessieren. Er war Mitglied des Landtages der Provinz Sachsen und Mitglied des Vereinigten Preußischen Landtages in Berlin. 1847 gehörte er zu den 138 Abgeordneten, die schriftlich Protest wegen der “Vorenthaltung älterer Rechte” einlegten. Nach den revolutionären Märztagen zog er am 18.05.1848 als Präsidiumsmitglied und Schriftführer in die verfassungsgebende Preußische Nationalversammlung in Berlin ein (im Kreis Calbe mit 81 von 93 Stimmen gewählt). Hier formulierte er: “Die Revolutionen haben bewiesen, daß auch das Volk ‚von Gottes Gnaden’ ist”, und trat damit entschieden für die Beseitigung der Standesunterschiede ein. Am 09.09.1848 veröffentlichte er den Aufruf “Das Vaterland ist in Gefahr”, als die einberufene Preußische Nationalversammlung verschoben werden sollte. Auch in den Landtag wurde S. 1849 wiedergewählt. Nach der Niederschlagung der Revolution wurde gegen ihn wegen “Aufruhrstiftung und Majestätsbeleidigung” 1849 eine gerichtliche Untersuchung eingeleitet. Das Schwurgericht mußte ihn freisprechen, aber die preußische Regierung bereitete ihm nun immer größere Schwierigkeiten. 1856 wurde er zwar von den Stadtverordneten erneut zum Bürgermeister Schönebecks gewählt, doch die preußische Regierung versagte ihm die Bestätigung. S. ging nun nach Sudenburg. Hier nahm er die 1849 um Schönebeck und Barby begonnenen botanischen Studien wieder auf und erweiterte sie auf das Gebiet um Magdeburg. 1858 und 1860 hielt er sich mit seinen Söhnen Walter und Oskar S. in der Schweiz am Genfer See zum Studium der Alpenflora auf. Ab 1860 war er als Stadtverordneter in Berlin tätig und gehörte von 1861 bis 1866 als Abgeordneter der Fortschrittspartei (Kreis Wanzleben) erneut dem preußischen Abgeordnetenhaus in Berlin als entschiedener Gegner Otto von Bismarcks an. 1870 zog S. zu seinem Sohn Walter nach Zerbst, wo er Vorsitzender des dortigen Naturwissenschaftlichen Vereins wurde. In Zusammenarbeit mit anderen Kennern der lokalen Floren der Region, u. a. Paul Ascherson, mit dem er 1866 an der Gründungsveranstaltung des Aller-Vereins in Walbeck teilnahm, Friedrich Banse, Wilhelm Ebeling, Gustav Maass und Emil Torges, teilte er das Gebiet zwischen Fläming und Harzvorland in 18 Florenbezirke ein, die von ihm und seinen Fachkollegen seit 1866 zu verschiedenen Vegetationszeiten systematisch aufgesucht wurden und in denen sie über 1.200 Gefäßpflanzen-Arten erfaßten, ihre Standortansprüche untersuchten und ihre Fundorte auflisteten. Seinen Lebensabend verbrachte er von 1878 bis zu seinem Tode im Hause seines Sohnes Oskar in Schönebeck. 1874 und 1877 faßte er auf Wunsch der Magdeburger Lehrerschaft seine in langjährigen Studien erworbenen naturräumlichen Kenntnisse in einer zweibändigen “Schul-Flora” mit einer Beschreibung der Gefäßpflanzen des Florengebietes und einer Übersicht über die Boden- und Vegetationsverhältnisse zusammen. Seine Söhne Walter und Oscar brachten 1891 die von ihm noch erweiterte Neuauflage der “Schul-Flora” heraus. Sie blieb über Jahrzehnte die Grundlage floristischer Studien in der Magdeburger Region. Nach S. wurde in Schönebeck eine Schule benannt.
Werke: Wanderungen durch die Florengebiete Zerbst/Möckern, Burg, Burgstall, Calvörde, Wolmirstedt, Barby und Bernburg, in: Abh. des Naturwissenschaftlichen Vereins Magdeburg, H. 4, 1873, 1–12; Wanderungen im Magdeburger Florengebiete, ebd., H. 6, 1874, 1–18; Schul-Flora Tl. 1: Grundzüge der allgemeinen Botanik, 1874; Schul-Flora Tl. 2: Beschreibung der Gefäßpflanzen des Florengebiets von Magdeburg, Bernburg und Zerbst, mit einer Übersicht der Boden- und Vegetationsverhältnisse, 1877.
Literatur: Wilhelm Ebeling, Zum Gedächtnis L. S., in: Abh. des Naturwissenschaftlichen Vereins Magdeburg, 1889, 60–69; Paul Ascherson, Nachtrag zu L. S. Flora von Magdeburg, in: Fs. zur Feier des 25jährigen Stiftungstages des Naturwissenschaftlichen Vereins Magdeburg, Tl. 1, 1894, 47–216; Wilhelm Schulze, Dem Schönebecker Revolutionär L. S. zum Gedächtnis, in: Heimat-Echo, Monatsschrift für den Kreis Schönebeck, 1956, 53–58; Karl Schlimme, Drei Forscherpersönlichkeiten, in: Js. des Kreismuseum Haldensleben 33, 1993, 26–39; ders., Revolution in Krähwinkel, in: Js. der Museen des Ohrekreises 5, 1998, 19–38.
Bildquelle: *Kreismuseum Schönebeck.
Hans-Joachim Geffert/Hermann Grünzel