Göderitz, Johannes Gustav Ludwig, Prof. Dr.-Ing. E.h.
geb. 24.05.1888 Ramsin bei Bitterfeld,
gest. 27.03.1978 Braunlage,
Architekt, Stadtplaner, Fachschriftsteller.

G. wurde als Sohn eines Bergwerksdirektors geboren, besuchte 1899–1908 die Gymnasien in Halle und Wittenberg und studierte anschließend neun Semester Architektur an der Technischen Hochschule Charlottenburg. Während des Studiums war er Privatschüler an der Schule für Formkunst August Enden in Berlin. Nach seiner Ernennung zum Regierungsbauführer trat er in den Staatsdienst bei der Oberpostdirektion Berlin, der Militärbauverwaltung und der Regierung in Potsdam. 1914–18 wurde er zum Kriegsdienst einberufen und an der Westfront verwundet. Nach Ende des Krieges arbeitete G. zunächst als Regierungsbaumeister beim Oberpräsidium Berlin, bis ihn Stadtbaurat Bruno Taut Mitte 1921 nach Magdeburg berief, zunächst als Mitarbeiter im Arbeitsstab des Stadtbaurates. G. ließ sich mit seiner Schwester in Magdeburg nieder. Bereits nach dem Weggang Tauts 1923 wurde G. als Magistratsbaurat zum Dezernenten der Hochbauverwaltung sowie 1927 offiziell zum Magdeburger Stadtbaurat ernannt und strukturierte umgehend die Hochbauverwaltung um. Die Städtebauabteilung unter Konrad Rühl wurde seiner Zuständigkeit unterstellt. Seine Entwurfsprinzipien, “Bauprogramme sachlich erfüllen und baulich klar disponierte Gebäude entwerfen, die aus einer Reihe von Mauerkörpern zusammengesetzt sind, dabei trotzdem interessante Erscheinungen gewinnen”, ließen ihn beispielhafte städtebauliche Lösungen schaffen, die in ganz Deutschland wegweisend waren. Er prägte den Ruf Magdeburgs als Stadt des “Neuen Bauwillens”. Im Oktober 1928 folgte durch G. die Herausgabe eines Generalbebauungsplanes und einer neuen Stadtbauordnung einschließlich Erläuterung und Kommentierung. Als erster großer Siedlungskomplex entstand 1924 die Siedlung an der Großen Diesdorfer Straße (Hermann-Beims- Siedlung), bei der G. neben den Architekten Konrad Rühl und Gerhard Gauger direkt als Stadtplaner Einfluß nahm. Unter G.’ Ägide entstanden mit Unterstützung namhafter Architekten (u. a. Fritz Kneller) zahlreiche bedeutende Ausstellungs-, Industrie-, Wohn- und Verwaltungsbauten, Hoch- und Krankenhäuser, Schulen, öffentliche Einrichtungen und Siedlungen, die das Magdeburger Stadtbild wesentlich mitprägten. 1929 übernahm G. auch das Dezernat für Theater und Orchester und setzte sich unermüdlich für das Magdeburger Theater ein. G. war Mitglied der freien Deutschen Akademie für Städtebau. Er gründete im Jahre 1930 mit Magdeburger Bürgern als Fortsetzung des ehemaligen Kunstgewerbevereins den Magdeburger Verein für deutsche Werkkunst und übernahm dessen Vorsitz. G. verfaßte Texte für die Magdeburger Zeitschrift Das Stichwort. Magdeburger Blätter für Bühne, Musik und gestaltende Arbeit zwischen August 1930 und Juni 1931 (18 Ausgaben). 1932 offerierte G. in konsequenter Fortführung seiner stadtplanerischen Absichten ein Konzept zur Sanierung der Innenstadt. Am 15.06.1933 wurde er durch die nationalsozialistischen Machthaber als “Kulturbolschewist” seiner Ämter enthoben, so daß er bis 1936 zunächst als freier Architekt in Magdeburg agieren mußte. In den Jahren 1936–45 fungierte G. als Geschäftsführer der Deutschen Akademie für Städtebau, Reichs- und Landesplanung und 1939–40 als Leiter der Arbeitsgruppe Organische Stadterneuerung in Berlin und war 1943/44 Mitarbeiter der Landesplanungsgemeinschaft Mark Brandenburg. In Braunschweig leitete G. 1945–53 als Stadtbaurat den Wiederaufbau der kriegszerstörten Stadt und war 1945–50 Honorarprofessor für Landesplanung, Städtebau und Wohnungswesen der Technischen Hochschule Braunschweig. In den Jahren 1960–62 war er Direktor des Institut für Städtebau und Wohnungswesen und bis 1970 Lehrbeauftragter für Raumordnung und Landesplanung an der Technischen Universität Braunschweig. 1953 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Technischen Universität Berlin-Charlottenburg verliehen.

Werke: Bauten: Städtisches Elektrizitätswerk Magdeburg, Büro- und Werkstattgebäude, 1923/27; Viehmarkt- und Ausstellunghalle “Land und Stadt” Magdeburg, 1924 (mit B. Taut, heute Hermann-Gieseler-Halle); Bauten auf dem Ausstellungsgelände, Rotehorn, 1924/26; Flugplatz Großer Cracauer Anger, 1924/25; Volksschule Magdeburg-Rothensee, 1925/26; Städtisches Elektrizitätswerk, Umspannwerk Magdeburg-Buckau mit Beamtenwohnhaus, 1925/26; Volksbad Südost Magdeburg mit Bücherei, 1926/27; Stadthalle, Rotehorn-Park, 1926/27; Volksschule Magdeburg-Wilhelmstadt, 1928/29; Erweiterung Wilhelmstädter höhere Schule, 1928/30; Straßenbahndepot Magdeburg-Wilhelmstadt und -Buckau, 1929; Umspannwerk Industriegelände Magdeburg-Rothensee, 1929/30; Volksbad Magdeburg-Sudenburg, 1929/30; Großgaserei Mitteldeutschland, Magdeburg, 1929/31; Gruson-Gewächshäuser, Schauhaus, 1930; Städtisches Wasserwerk, Letzlinger Heide bei Colbitz, 1930/32; Erwerbslosensiedlungen, Magdeburg-Lemsdorf I und II, 1931/34; Planungskonzept Altstadtsanierung Magdeburg, 1932; Volksschule Magdeburg-Cracau, 1932/33. – Schriften: Magdeburg, die Stadt des neuen Bauwillens (Deutschlands Städtebau), 1927; Bauordnung für die Stadt Magdeburg vom 1. Oktober 1928 mit mehreren Anhängen, 1929; Die gegliederte und aufgelockerte Stadt, 1957 (mit Roland Rainer und Hubert Hoffmann).

Literatur: Neubauten der Stadt Magdeburg, in: Die Form 6, 1926; Helmut Wilhelm, J. G. zum 80. Geburtstag, 1968; Detlef J. Naumann, Das Schaffen von Johannes Göderitz in Magdeburg, in: Workshop. Siedlungen der 20er Jahre der Stadt Magdeburg, hg. vom Stadtplanungsamt der Stadt Magdeburg, H. 29, 1994; Regina Prinz, Neues Bauen in Magdeburg. Das Stadtbauamt unter Bruno Taut und J. G. (1921–33), Diss. München 1997; Olaf Gisbertz, Bruno Taut und J. G. in Magdeburg. Architektur und Städtebau in der Weimarer Republik, 2000.

Bildquellen: *StadtA Magdeburg; Jörg-Heiko Bruns, Erfurt-Molsdorf (privat): Zeichnung von Bruno Beye.

Ines Hildebrandt