Grunewald, Gottfried
geb. 20.01.1857 Quenstedt bei Eisleben,
gest. 25.04.1929 Magdeburg,
Chordirigent, Komponist, Musikpädagoge, Königlicher Musikdirektor

Der Sohn des Kaufmanns Gottlob G. besuchte die Volksschule in Quenstedt. Auf Wunsch des Vaters begann er eine Lehrerausbildung in Eisleben, die er bald zugunsten der Musik abbrach. Er nahm Unterricht in Musiktheorie (Kantor Kopehl) und eignete sich autodidaktisch das Violoncellospiel an. Von 1873 bis 1876 lernte er an der Großherzoglichen Orchester- und Musikschule Weimar (Max Meyer-Olbersleben, Karl Müller-Hartung). Nach fünfjährigem Militärdienst als Musiker im 26. Infanterieregiment Magdeburg ließ er sich daselbst nieder. In Magdeburg wirkte G. ab 1882 als Musiklehrer, Violoncellist, Chordirigent und Kapellmeister. 1901 gründete er den Orchesterverein Philharmonie, nachdem er sich erfolglos um die Nachfolge Fritz Kauffmanns als Dirigent der Magdeburger Gesellschaftskonzerte beworben hatte. Er leitete von 1911 bis 1924 die Erste Magdeburger Liedertafel (gegründet 1819). 1910 wurde er zum Königlichen Musikdirektor ernannt. G. war langjähriger Leiter der Gesangsgruppe des Deutschen Handlungsgehilfenverbandes, des Schwarzschen Männergesangsvereins, des Chores der Deutsch-Reformierten Kirche, des Graphischen Gesangsvereins sowie der Verbündeten Männergesangsvereine. Des weiteren wirkte er auch als Musikpädagoge (Klavier, Violoncello) im Musikinstitut von Hermann Fischer. Den Schwerpunkt in seinem Schaffen bilden Kompositionen für Männer- und gemischten Chor. Seine Opern basieren auf spätromantischen, teils mystischen Stoffen (z. B. “Die Brautehe”). Er verwendet ein überaus großbesetztes “romantisches” Orchester, dessen Klangfarbenreichtum er ausschöpft. In seiner Vorliebe für Tonmalerei und dichterische Programme (z. B. in Legende für Streichorchester “Vineta”, Vorspiel zu “Astrella”, die dramatische Orchester- Chor-Ballade “Des Sängers Fluch”) scheint er von Liszt beeinflußt. Auch der Harmonik und Orchesterbehandlung Richard Wagners war G. verpflichtet. Der Reger-Schüler Gerhard Dorschfeldt notierte 1939 über G.s Musik: “Wer die Partituren seiner Orchesterwerke kennt, wird über das Kolorit der aparten Klangfarben, über die technisch-virtuose, dort stets vornehme Behandlung seiner großen Chorensembles, und über die geistig hochwertige Erfindungskraft dieses ungemein begabten Künstlers erstaunt sein.” Sigfrid Karg-Elert lobte das “dramatische Talent” des “geborenen Bühnenkomponisten” und schilderte ihn als “vornehm zurückhaltende Künstlernatur”.

Werke: Die Brautehe, Ms. o. J. (Oper, Umtextierung von Astrella, UA Magdeburg 1904); Der fromme König, Ms. o. J. (Oper, UA Magdeburg 1905); Mozartouvertüre (für Orchester), Ms. o. J.; Die Jungfrau von Orleans (für Orchester), Ms. o. J.; Gutenberghymne (für Männerchor und Orchester), Ms. o. J.; Totenfeier (für gemischten Chor und Orchester), Ms. o. J.; 100. Psalm für gemischten Chor, Orchester und Orgel, Ms. o. J.; Lieder. – Drucke: Klavierauszug, 1895 (Das im Deutschen Musiker-Lexikon angegebene Datum der UA 25.12.1902 ist anzuzweifeln); Astrella (Oper in einem Akt von Carl Tannenhofer), o. J.; Vineta (Legende für Streichorchester), o. J.; Des Sängers Fluch (für Männerchor mit Orchester), o. J. (UA unter Gustav Schaper durch den Magdeburger Lehrer-Gesang-Verein, vor 1903); Freiheitshymnus (für Chor), o. J. (UA ebd.); Harald (für Männerchor und Orchester), o. J. (UA ebd.); Choralgesänge für Pianoforte, Harmonium oder Orgel, o. J.; zahlreiche Chorsätze.

Nachlaß: Zentrum für Telemann-Pflege und -Forschung Magdeburg.

Literatur: Riemann 1, 111929, 670; Riemann 1, 121959, 689f.; Erich H. Müller (Hg.), Deutsches Musiker-Lexikon, 1929, 459; Sigfrid Karg-Elert, G. G. Eine kritische und biographische Skizze, in: Die Musikwoche, H. 32, 1903, 306–310, Gerhard Dorschfeldt, Ein vergessener Magdeburger Tondichter. Zum zehnjährigen Todestag von Musikdirektor G. G. in: Der Mitteldeutsche, Nr. 111, 23.04.1939 (B); Dagmar Kähne, Untersuchungen zu biographische Angaben von Sigfrid Karg-Elert im Zusammenhang mit dem Musikleben um 1900 in Magdeburg, in: Mitteilungen der Karg-Elert-Gesellschaft, 1993/94, 27–57.

Ralph-J. Reipsch