Rötscher, Richard, Prof. |
Der Sohn einer Gutsbesitzerfamilie besuchte 1904–10 das Lehrerseminar in Eisleben, erhielt kurzzeitig eine Lehrerstelle und absolvierte seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger in Dessau. Anschließend war R. Volksschullehrer in Mansfeld und ab April 1914 in Magdeburg. Von 1914 bis 1918 stand R. als Soldat im Feld und war nach Genesung von einer Verwundung ab 1919 wieder als Lehrer in Magdeburg tätig. 1923 wurde er Leiter der 1. Buckauer Sammelschule, aus der auf seine Initiative hin 1924 die weltliche Versuchsschule und später größte Volksschule in Magdeburg hervorging. Als koedukative Wahlschule für soziale Hilfe mit Kern- und Kursunterricht spielten Berufsvorbereitung (Kurse), Gesundheitserziehung (Waldschule Fort II), Kunst und Theater (Robert Adolf Stemmle) für überwiegend proletarische Klientel eine wichtige Rolle. Seit 1918 Mitglied der SPD, wurde R. Stadtverordneter (1924–29), Mitbegründer und Vorsitzender des Bundes freier Schulgesellschaften Magdeburg (Karl Linke) und gehörte 1923 zu den Initiatoren des Kampfes für die Einführung weltlicher Schulen (Gustav Löscher). Im Vorstand des Lehrervereins Magdeburg und der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Lehrer (ASL) engagierte sich R. in diversen schulpolitischen und pädagogischen Gremien. Als Mitbegründer des sozialdemokratischen Reichsbanners Schwarz Rot Gold wurde R. im September 1933 von den Nationalsozialisten entlassen. Er erwarb 1934 ein Rentengut in Lebus und wurde 1941 “Lehrer auf jederzeitigen Widerruf”. Im Juli 1945 zunächst zum Regierungs- und Schulrat in Merseburg berufen, war R. ab 1946 Regierungsrat in der Schulabteilung der Provinzialregierung und 1947 als Oberregierungsrat im Ministerium für Volksbildung Sachsen-Anhalt u. a. für Magdeburg zuständig. Zunehmende Unvereinbarkeit der schulpolitischen Entwicklung mit seiner liberalen, sozialdemokratischen Grundeinstellung veranlaßte Minister Ernst Thape, ihn 1948 in ein Lehramt an die Martin-Luther-Universität Halle zu “expedieren”. Mit Unterstützung von Hans Ahrbeck wurde R. als Dozent und Institutsdirektor verantwortlich für die Umgestaltung der Franckeschen Stiftungen zur polytechnischen Bildungsstätte. Auf Antrag von Ahrbeck und später von Rosemarie Wothge wurde ihm 70jährig eine Titular-Professur verliehen. 1962 ließ sich R. auf eigenen Wunsch pensionieren.
Werke: Das Magdeburger Volksschulwesen unter besonderer Berücksichtigung der Versuchsschularbeit, in: Magistrat der Stadt Magdeburg (Hg.), 1927, 74–77; Die Entwicklungsstufen der Erziehungsgemeinschaft von Schule und Haus, in: Pädagogisches Zentralblatt, 1928, 10–13; Versuch des Ausbaus der Volksschule vom Berufsgedanken aus, in: Bremische Lehrerzeitung 5, 1930, 77–80; Kern- und kursunterrichtlicher Ausbau der Oberstufe. Ein Organisationsproblem, in: Hamburger Lehrerzeitung 47, 1931, 649–652; Wie helfen wir unseren berufslosen Schulentlassenen?, in: ebd. 48, 1932, 597–601; Die Breitengliederung der Grundschule I und II, in: die neue schule 12, 1947, 422–425; ebd. 13, 1947, 460–463.
Literatur: Reinhard Bergner, Die Berthold-Otto-Schulen in Magdeburg, 1999.
Bildquelle: *Universitätsarchiv Halle.
Reinhard Bergner