Löscher, Gustav
Robert, Dr. phil. |
Als Sohn eines Polizeibeamten in Pfaffroda bei Olbernhau im Erzgebirge aufgewachsen, kam L. durch schulischen und kirchlichen Einfluß zu christlich-ethischen Anschauungen und war bereits 12jährig ein “fertiger Organist”. Ab 1895 besuchte er das Lehrerseminar in Nossen, arbeitete 1901–05 als Lehrer, zuletzt in Leipzig. Vielseitig interessiert, schrieb sich L. 1905 an der dortigen Handelsschule zu Studien der Volkswirtschaft, Geschichte der Philosophie und Stenographie ein. 1906–10 studierte er an der Universität Leipzig Lehramt für Deutsch, Geschichte und evangelische Theologie (Studienaufenthalt 1908/09 in Berlin) und promovierte später zum Dr. phil. 1910 wurde L. Lehrer an einer höheren Schule in Leipzig und war – vom Wehrdienst wegen eines schweren Herzfehlers freigestellt – ab 1915 Direktor der Bürger- und Fortbildungsschule in Stollberg/Erzgebirge, später in Plauen. Politisch interessiert, fand L. bereits 1907 zur SPD und sympathisierte insbesondere mit religiös-sozialistischen Auffassungen. Durch Ideen Goethes, Wilhelm Raabes und durch die Jugendbewegung beeinflußt, bestimmten vor allem soziale, liberale und kindorientierte Reformansätze sein pädagogisches Handeln. 40jährig war L. sozialdemokratischer Funktionär, als ihn Hermann Beims 1921 als Stadtschulrat nach Magdeburg berief. Mit seiner konsensfähigen sozialdemokratischen Schulpolitik entwickelte er in zwölf Amtsjahren die Stadt zu einem reformpädagogischen Zentrum Deutschlands. Trotz tiefster ökonomischer Krise gelang es, Stadtparlament und Magistrat, insbesondere Beims und Stadtbaurat Johannes Göderitz, für soziale und schulpädagogische Reformen zu gewinnen. Er erkämpfte die städtische Selbstverwaltung im Schulwesen (1924), gründete die erste reformpädagogische Versuchsschule (1922), setzte die Eröffnung weltlicher Schulen in Magdeburg durch (1923), initiierte den Bau der Gartenschule Rothensee (1926), der Waldschule im Fort VI (1927), einer der modernsten Schulen der Provinz an den Harsdorfer Worthen (1929) und der höheren Reformschule (Berthold-Otto-Schule) am Sedanring (1930). Ebenso förderte er die Tätigkeit der Volkshochschule. 1933 wurde L. entlassen; nach kurzem Aufenthalt am Internationalen Institut für Völkerkunde zuerst -Mainz-, dann -München-, zog er mit seiner Familie 1935 nach Dresden. Dort nahm L. verstärkt eine schriftstellerische Tätigkeit auf. Aus seiner autobiographisch bestimmten, einer tiefen Humanität verpflichteten Prosa sind insbesondere der Band “Alles Getrennte findet sich wieder. Ein Buch vom wahren Leben” (1937, 100. Tausend 1955) sowie der unvollendete Roman “Der schöne Herr Lothar” (1957) hervorzuheben, der der Erzähl- und Charakterisierungskunst Wilhelm Raabes verpflichtet ist. Nach Kriegsende erhielt L. erneut ein Angebot, nach Magdeburg zu kommen, mußte jedoch schwer krank absagen.
Werke: s. o.; Das Mittelschulwesen der Stadt Magdeburg, in: Magistrat der Stadt Magdeburg (Hg.), 1927, 78–80; Das befreite Herz, 1939, 121949; Günter Wirth (Hg.), H. L., Bücher vom wahren Leben. Gesammelte Werke (2 Bde), 1975.
Literatur: BBKL 5, Sp. 172-174; Günter Albrecht u. a. (Hg.), Lexikon deutschsprachiger Schriftsteller von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bd. 2, 1975, 53f.; Günter Wirth, Nachwort, in: ders. (Hg.), H. L. Bücher vom wahren Leben. Gesammelte Werke, Bd. 2, 1975, 239–281; Reinhard Bergner, Die Berthold-Otto-Schulen in Magdeburg, 1999, 114–119 u.ö.
Bildquelle: *Grundschule am Westring, Magdeburg.
Reinhard Bergner
letzte Änderung: 28.02.2005