Rathmann, Heinrich
geb. 10.01.1750 Neuen Gamme bei Bergedorf,
gest. 14.03.1821 Pechau,
evangelischer Pfarrer, Pädagoge, Stadthistoriker.

Der Sohn eines früh verstorbenen Bauern, Ölmüllers und späteren Kaufmannes besuchte die Bürgerschule in Bergedorf. Als wißbegieriger und eifriger Schüler erhielt R. vom Rektor der Schule besonderen Unterricht in alten Sprachen, so daß er 1768 das Studium der evangelischen Theologie an der Universität Halle aufnehmen konnte. Das notwendige Geld für sein Studium erwarb er sich durch Unterricht am dortigen Waisenhaus und Erteilung von Privatstunden. Nachdem ihm bereits 1771 eine Lehrertätigkeit am Königlichen Pädagogium in Halle übertragen worden war, folgte er 1774 einem Ruf als Rektor und Diakon nach Neuhaldensleben. Von dort aus knüpfte der literarisch interessierte R. Verbindungen zur 1761 gegründeten Mittwochsgesellschaft, einem literarischen Freundeskreis in Magdeburg, dessen geistiger Urheber der Dichter Johann Wilhelm Ludwig Gleim aus Halberstadt war. Mit den Mitgliedern dieser geselligen Vereinigung verband R. bald eine engere Bekanntschaft, u. a. mit Friedrich von Koepcken, dem Prediger Johann Samuel Patzke, den Pädagogen Johann Bernhard Basedow, Gottfried Benedict Funk, Friedrich Gabriel Resewitz, Gotthilf Sebastian Rötger und dem Musiker Johann Heinrich Rolle. 1777 wurde R. von Resewitz als Lehrer und Prediger an das Kloster Berge nach Magdeburg berufen. Während er bei seinen Schülern viel Respekt und Anerkennung fand, trübte sich jedoch das Verhältnis zu Abt Resewitz, als im Kloster Berge ab 1790/91 eine Untersuchung bezüglich der Verwaltung stattfand, die für den Abt nicht gut ausging. R. fiel es deshalb nicht schwer, 1793 eine neue Stelle als Pfarrer und Lehrer in Pechau und Kalenberge bei Magdeburg anzutreten, die er bis zu seinem Tode innehatte. 1798 avancierte R. zum Superintendenten, 1806 zum “königlich adjungirten Inspektor der Kirchen und Schulen der zweyten Jerichowschen und Zauchischen Inspection” (Hamberger/Meusel). 1816 wurde er zum Konsitorialrat ernannt. Bereits vor seiner Magdeburger Zeit hatte sich R. intensiv mit neuen pädagogischen Ansätzen beschäftigt und das Philanthropin Basedows in Dessau besucht. R. war auch später der Person und den pädagogischen Zielen Basedows verbunden, trat für eine Verbesserung der Bildung der Bauern sowie für die Abschaffung der Leibeigenschaft ein. Neben Arbeiten zu Basedow publizierte der auch historisch interessierte R. zahlreiche stadtgeschichtliche Beiträge – zumeist anonym – in regionalen Wochen- und Monatsschriften. Als R.s bedeutendste Leistung gilt seine “Geschichte der Stadt Magdeburg”, die 1800–06 in vier Bänden bei Johann Adam Creutz verlegt wurde (eine Fortsetzung des 4. Bandes erschien erst 1816). Die herausragende Arbeit, die von den stadtgeschichtlichen Anfängen bis zum Jahre 1680 führt, ist die erste zusammenhängende Stadtgeschichte Magdeburgs und zeichnet sich durch sorgfältige Angabe der benutzen Quellen aus, wenn auch kein unbekanntes Material in größerem Umfang verwendet wurde. Der Plan, R. dafür nach dessen Tod ein Denkmal zu setzen, kam nicht zur Ausführung.

Werke: Predigten über Ausbildung der Geistesfähigkeiten, über Fleiß und weisen Gebrauch der Zeit vorzüglich i. d. Jugend, 1789; Beyträge zur Lebensgeschichte Joh. Bernh. Basedows. Aus seinen Schriften und aus anderen ächten Quellen gesammelt, 1791; Kurze Uebersicht der Schicksale Magdeburgs im 18. Jahrhundert, 1801; Kurze Geschichte der Schule zu Kloster Bergen bis zu ihrer Aufhebung, 1812.

Literatur: ADB 27, 355–357; Hamberger/Meusel Bd. 6, 223–225; Bd. 10, 446; Bd. 15, 104; Bd. 19, 248; August Theodor Abel, H. R., in: Sächsische Provinzialblätter für Stadt und Land, 2. Bd., 1821, 118–133; Eduard Jacobs, H. R. Verfasser der Geschichte der Stadt Magdeburg, in: GeschBll 23, 1888, 292–323; August Neubauer, Verzeichnis aller Mitglieder der altehrwürdigen im Jahre 1761 von sieben Männern gebildeten Vereinigung Lade, 1896; Maren Ballerstedt, Die Mittwochsgesellschaft, in: Magdeburgische Zeitung am Wochenende, Nr. 20 vom 19.05.1988, 10 und Nr. 21 vom 26.05.1988.

Bildquelle: *StadtA Magdeburg.

Ingelore Buchholz