Volbehr, Theodor, Prof.
Dr. phil. |
Der zweite Sohn des Gymnasialprofessors Johann Heinrich Christian V. studierte nach dem Besuch des Gymnasiums in Schleswig Kunstgeschichte in Leipzig, Berlin, Paris und München, promovierte 1885 über Antoine Watteau und trat nach dem Militärdienst (1886) seine Tätigkeit im Museumswesen 1888 zunächst als wissenschaftlicher Bibliothekar am Germanischen Nationalmuseum Nürnberg an. Als erster Kunsthistoriker in der Bibliotheksleitung setzte V. die grundlegende Neuordnung des Bestandes durch und erarbeitete den systematischen Katalog. 1892 übernahm V. das besoldete Amt eines Vorstehers der Sammlungen des Kunstgewerbevereins Magdeburg, das mit dem des Schriftführers (vgl. Ludwig Clericus) verbunden wurde. Ihm oblag die Aufsicht über die umfangreichen kunstgewerblichen Bestände des 1869 gegründeten Vereins, deren Ordnung, Inventarisierung und öffentliche Präsentation, um die Gründung des seit Jahrzehnten geforderten Museum voranzubringen. Gegen eine geringe Entschädigung der Stadtkämmerei widmete sich V. gleichermaßen dem kommunalen Kunstbesitz, den er vor allem durch Stiftungen und Zuwendungen aus der Bürgerschaft sowie u. a. mit Hilfe günstiger Ankäufe Wilhelm von Bodes bedeutend erweiterte. V. richtete im ehemaligen Dienstgebäude des Generalkommandos (Domplatz 5) das erste städtische Museum Magdeburgs ein, das am 01.11.1893 eröffnet und ab 1895 von ihm geleitet wurde. 1897 übernahm die Stadt die Sammlungen des Kunstgewerbervereins als Schenkung. Nach dem Tod Otto Duvigneaus war V. von 1899 bis 1908 erster Vorsitzender des Kunstgewerbevereins Magdeburg. Mit großem Engagement sicherte er um die Jahrhundertwende den ersten und bislang einzigen Museumsneubau Magdeburgs (Architekt: Friedrich Ohmann, Wien), der im Dezember 1906 eröffnet wurde. Als Gründungsdirektor des Kaiser-Friedrich-Museums für Kunst und Kunstgewerbe Magdeburg entwickelte und realisierte V. bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt 1923 das Konzept des “Kulturmuseums”, das als Teil eines künftigen (inter)nationalen “Museumssystems” von Heimatmuseen, städtischen, Provinzial- und Landesmuseen sowie dem Nationalmuseum gedacht war. Die Zukunft der Museen sah er in ihrer Funktion als “Volksbildungsstätten im weitesten Sinne”. Mit diesem “Bildungsmuseum” schuf V. einen vollkommen neuen Museumstyp ( Walther Greischel, 1931). Neben Karl Koetschau (Düsseldorf), Gustav Pauli (Hamburg), Georg Swarzenski (Frankfurt) und anderen gehörte V. 1917/18 zu den Gründungsvätern des Deutschen Museumsbundes. V. heiratete 1893 Julie V., geb. Scharrer, aus Nürnberg; ihr dedizierte er seine Schrift “Das Verlangen nach einer neuen deutschen Kunst” (1901), das er als Vermächtnis der Weimarer Klassik von Goethe und Hamann, von Herder, Winckelmann und Heinse aufnahm zur Gestaltung einer künftigen “vollkommenen Harmonie des Lebens”. V. war einer der hervorragenden deutschen Kunsthistoriker und Ästhetiker seiner Zeit. Seine Schriften und rhetorischen Fähigkeiten bei Führungen oder Vorträgen, sein Vermögen, sich in die Bildwerke einzufühlen, weisen ihn neben Alfred Lichtwark (Hamburg) als den bedeutendsten Museumsdidaktiker im ersten Viertel des vergangenen Jahrhunderts aus.
Werke: Lucas van Leyden. Verzeichnis seiner Kupferstiche, Radierungen und Holzschnitte, in: Kritische Verzeichnisse von Werken hervorragender Kupferstecher, 4. Bd., 1888; Festspiel zum fünfundzwanzigjährigen Jubiläum des Kunstgewerbe-Vereins zu Magdeburg am 04. Mai 1894; Goethe und die bildende Kunst, 1895; Hinter dem Erdentag. Träumereien mit Bildern von Franz Strassen, o. J. [1901]; Bau und Leben der bildenden Kunst, 1905, 21914; Führer durch die Sammlungen des Kaiser Friedrich Museums der Stadt Magdeburg, 1906 (mehrere Auflagen); Gibt es Kunstgesetze?, 1906; Die Zukunft der deutschen Museen, 1909; Bildbetrachtung. Eine Einführung in alle Stufen des Schulunterrichts, 1922, 31931; Vom Betrachten der Bauwerke. Eine Einführung für alle Schulgattungen, 1927; Vom Betrachten der Bildhauerwerke, in: Otto Karstädt und G. Wolff (Hg.), Hdb. für den Arbeitsunterricht, 1929; Aufsätze in der wissenschaftlichen Wochenbeilage der Magdeburgischen Zeitung; zahlreiche Museumshefte des Kaiser Friedrich Museums zu Magdeburg.
Literatur: Wer ist’s? Unsere Zeitgenossen, 41909; KGL 4, 1931; N. N., Nachruf, in: Museumskunde N. F. 4, 1932, 101f.; Walther Greischel, T. V. Nachruf, in: Kunstverein zu Magdeburg 1835–1935, 1935, 11f.; Bernward Deneke/Rainer Kahsnitz (Hg.), Das Germanische Nationalmuseum Nürnberg 1852–1977. Beiträge zu seiner Geschichte, 1978, bes. 1140.
Bildquelle: *KHM Magdeburg.
Karlheinz Kärgling
letzte Änderung: 28.09.2004