Wirsing, Bernhard Rudolph
geb. 20.10.1808 Dresden,
gest. 09.10.1878 Prag,
Sänger, Schauspieler, Theaterdirektor.

W.s Vater war Hofarchivar in Dresden und ließ dem Sohn eine vornehme und umfassende Bildung und Erziehung im Kloster Donndorf angedeihen. Nach einem in Leipzig begonnenen Jura-Studium widmete W. sich jedoch dem Theater. Er debütierte um 1832 als Bariton und trat bis 1837 am Kärntnertor-Theater in Wien auf. Nach Engagements in Breslau, Lübeck und Aachen ließ sich W. 1839 als Gesangslehrer in Magdeburg nieder, wo er 1840 eine eigene Gesangsakademie gründete. Ab 1842 bekleidete W. zunächst das Amt des Musikdirektors am Stadttheater Magdeburg, dessen Direktion er zusätzlich 1845 übernahm. Unter seiner Leitung wurde am 21.04.1845 Albert Lortzings “Undine” uraufgeführt, und die Folgezeit wurde eine “Blüteperiode der Oper” (Valentin). Auch Lortzings “Waffenschmied”, Friedrich von Flotows “Allessandro Stradella”, Gaetano Donizettis “Lucia di Lammermoor” (alle 1846, dirigiert von Ebell) wurden mit Erfolg aufgeführt. W. gelang es, das Orchester auf 40 Mitglieder aufzustocken und den Chor mit 30 Laiensängern zu besetzen. Durch das Engagement Feodor Wehls als Dramaturgen und Theaterdichter konnte er in seiner Wirkungszeit auch das Schauspiel beleben. 1846 eröffnete W. mit dem “Tivoli” das erste Magdeburger Vorstadttheater, das einen starken Zulauf hatte und für das er ein Abonnement einführte. Seine Anteilnahme am politischen Geschehen in Deutschland zeigt die unter seiner Direktion erfolgte Aufführung “Ein deutscher Krieger”, die er am Tag der Beerdigung der Gefallenen in Berlin, am 22.03.1848, veranlaßte. Trotz schwieriger räumlicher Bedingungen in beiden Häusern hatte W. durch seine künstlerische Kompetenz, sein gewinnendes Wesen, seinen Humor und sein Organisationstalent Erfolg beim Publikum und den Mitgliedern des Theaters. Diese Fähigkeiten zeigten sich auch auf den weiteren Stationen seines Wirkens. Anfang 1849 wurde er vom Leipziger Stadtrat zum Direktor des Leipziger Stadttheaters berufen, das unter seiner Leitung eine Glanzzeit erlebte. Hier ließ er als einer der ersten Theaterdirektoren in Deutschland Richard Wagners frühe Opern “Tannhäuser” und “Lohengrin” aufführen. 1864 wechselte er als Leiter des Deutschen Landestheaters nach Prag und führte dort neben dem klassischen deutschen Schauspiel auch Shakespeare sowie zeitgenössische deutsche und französische Autoren auf. Große Verdienste erwarb er sich auch im musikalischen Bereich des Theaters. 1876 übernahm er die künstlerische Leitung des “heruntergekommenen” Böhmischen Landestheaters in Prag, das er auch auf ein höheres Niveau zu bringen verstand. Ein Nachruf in Prag charakterisierte sein Persönlichkeiten mit Worten, die auch für seine Zeit in Magdeburg schon zutreffen mögen: “Ein künstlerisch denkender, vielerfahrener Bühnenleiter, der auf glänzende, in wechselnder Stellung errungene Erfolge zurückblicken konnte.”

Werke: Das deutsche Theater oder Darstellung der gegenwärtigen Theaterzustände nebst Andeutungen zu einer zweckmäßigen Reform und Bühnenleitung, 1862.

Literatur: ADB 43, 520f.; Hobohm, Bd. 1, 47f.; Wilhelm Widmann, Geschichte des Magdeburger Theaterwesens, in: MonBl 1925, 246; Anna Löhn-Siegel, Ein Sommertheater in Magdeburg, in: Fs. zum 50jährigen Jubiläum des Magdeburger Stadttheaters 1876–1926, 1926, 89; Erich Valentin, Musikgeschichte Magdeburgs, in: GeschBll 68/69, 1933/34, 40; Wolfgang Wöhlert, Das Magdeburger Stadttheater von 1833–1869, Diss. Berlin 1957, 56–71 u.ö.; Friedemann Krusche, Theater in Magdeburg, Bd. 1, 1994, 126f., 131f., 135f.

Christine Sommer

letzte Änderung: 02.03.2005