Böhlke, Erich
geb. 09.09.1895 Stettin,
gest. 19.04.1979 Delmenhorst,
Dirigent, Komponist, Pianist.

Der Sohn eines Kunsthändlers trat 1906 im Alter von elf Jahren erstmals als Pianist auf. Er studierte in Berlin, Wien und Mailand bei Humperdinck, Busoni, Schönberg und Toscanini. Einer umfangreichen Konzerttätigkeit, mit Rundfunkkonzerten u. a. in Rudolstadt (1924) und in Koblenz (1926), schlossen sich ab 1927 Anstellungen als Generalmusikdirektor in Koblenz und Wiesbaden an. Dort wurde er auf Lebenszeit zum preußischen Generalmusikdirektor ernannt. Von 1933 bis 1946 war B. als Nachfolger von Walter Beck Generalmusikdirektor der Stadt Magdeburg, wo er von 1934 bis 1939 auch gleichzeitig als Intendant fungierte. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger, einem konsequenten Verfechter der sogenannten “Neutöner”, war B. in seinen Programmen verstärkt bestrebt, das gesamte Konzertrepertoire von Bach bis zu zeitgenössischen Kompositionen zur Aufführung zu bringen. Der als künstlerischer Perfektionist geltende B. führte Linien der in Magdeburg gepflegten Operntradition fort: 1934– 36 wurde beispielsweise das gesamte musikalische Oeuvre Richard Wagners gespielt – eine Leistung, die kein zweites Stadttheater erreichte –, und auch Richard Strauss’ Opern nahmen weiter einen hervorragenden Platz ein (Neuinszenierung von Standardwerken, Magdeburger Uraufführungen neuerer Kompositionen). Unter den erschwerten Bedingungen einer sich mehr und mehr verengenden nationalsozialistischen Kulturpolitik vermochte B. jedoch kaum Impulse bei Neu- und Uraufführungen zu setzen. Mit seinem überragenden fachlichen Können – die Leistungen der Solisten und des Orchesters bewegten sich durchweg auf hohem und höchstem Niveau und wurden oft stürmisch gefeiert – gelang es B. dennoch, Magdeburg zu einem bedeutenden Musikzentrum Deutschlands zu entwickeln – nicht zuletzt durch die Aufführung anspruchsvoller Chorwerke (etwa Beethovens “Missa Solemnis” und Pfitzners “Von deutscher Seele”, jeweils 1934), die er mit dem neugegründeten Städtischen Chor, dem Magdeburger Lehrergesangverein und großen Gastsolisten realisierte, oder durch das zu einem besonderen musikalischen Ereignis gewordene Magdeburger Musikfest 1935, das Bach, Händel, Schütz und Telemann gewidmet war. Als Nicht-Parteigenosse und ehemaliges Mitglied einer Freimaurerloge wurde B. 1939 von seinem Posten als Intendant entbunden und durch den linientreuen Kurt Erlich ersetzt, konnte aber als Generalmusikdirektor bis zur verfügten Schließung der Magdeburger Spielstätten zum September 1944 weiterarbeiten. Seinem Magdeburger Engagement folgten nach dem Ende des II. Weltkrieges eine Anstellung als Generalmusikdirektor und musikalischer Oberleiter des Staatstheaters in Oldenburg und 1963 eine Berufung an die Ueno University of Arts in Tokio. Er widmete sich neben seiner Tätigkeit als Komponist verstärkt der Musikpädagogik und trat als Gastdirigent u. a. in Ungarn, Dänemark, England, Irland, Holland, der Schweiz, Frankreich, der Tschechoslowakei und Japan auf. B., der Ehrenmitglied der Rheinischen Philharmonie Koblenz (1969), des Deutschen Kulturwerkes (1970), des Musikinstituts Koblenz (1970) und der Pommerschen Landsmannschaft (1975) war, erhielt neben zahlreichen Auszeichnungen 1979 auch das Bundesverdienstkreuz I. Klasse.

Werke: Kompositionen: Vier Klavierstücke: 1. Zwischenklang, 2. Andenken, 3. Einsames Wandern, 4. Scherzo, op. 10, 1918; Ballade g-moll für Klavier, op. 20, 1919; Sonate für Violine und Klavier A-Dur, op. 35, 1954; Am Rande des Lebens, op. 39, Liederzyklus nach Gedichten von Hesse, Hölderlin, Storm, Hebbel und Münchhausen für Alt und Bariton, 1959; Partita für Streichorchester in D, op. 43 a, 1963 (UA Tokio 1963); Instrumentation und Bearbeitung: Richard Strauss, Drei Gesänge, op. 87 nach Texten von Friedrich Rückert, 1967 (UA Karlsruhe 1967); Symphonische Vision, op. 51, 1971 (UA Delmenhorst 1971); Irisches Klavierkonzert, op. 56, 1975 (UA Dublin 1977); Sursum Corda in E, op. 58, 1976 (UA Wilhelmshaven 1977).

Literatur: Riemann 111929; Friedemann Krusche, Theater in Magdeburg, Bd. 2, 1995 (B); Dagmar Bremer, Seit 1933 ausverkauft, seit 1934 ausabonniert …, in: 100 Jahre Städtisches Orchester Magdeburg, hg. von der Magdeburgischen Philharmonie, 1998, 26f. (B).

Bildquelle: *Archiv des Theaters der Landeshauptstadt Magdeburg.

Sabine Gatz

letzte Änderung: 01.02.2005