Pilet, Otto
geb. 02.11.1833 Burg,
gest. 06.04.1916 Magdeburg,
Kaufmann.

P. war das jüngste von elf Kindern des Burger Rechtsanwalts und Stadtsyndikus Karl August P. Er legte am 19.09.1849 als erster Schüler der 1844 eröffneten Realschule in Burg vor dem Konsistorial- und Schulrat Karl Zerrenner seine Abschlußprüfung ab. 1850 begann er eine vierjährige kaufmännische Lehre in der Firma Johann David Salomé in Magdeburg. Im Oktober 1854 trat er eine Stellung im Handlungshaus Molinari & Söhne in Breslau an, welches Gustav Freytag als Vorlage für seinen Roman “Soll und Haben” (1855) diente, kehrte 1856 nach Magdeburg zurück und übernahm die Position des Disponenten bei der Firma Zuckschwerdt & Beuchel (Hermann Zuckschwerdt). Noch im selben Jahr, nach der Auflösung des Kolonialwarengeschäfts in der Firma, stieg er mit der Unterstützung Zuckschwerdts als Sozius in ein Agenturgeschäft ein. Nach dreijähriger Teilhaberschaft gründete P. ein eigenes Unternehmen, und 1866 folgten Erwerb und Übernahme des Kolonialwarengeschäfts Pfeffer & Weißenfels als deren Nachfolger in Magdeburg. P. trennte sich in der Folge vom Kolonialwarenhandel und verlagerte vorausschauend sein Geschäftsfeld auf den Zuckerhandel. Er errichtete zahlreiche Agenturen in Deutschland und in Skandinavien. In den 1880er nahm das Zucker-Termingeschäft einen rasanten Aufschwung. 1889 schließlich kam es in Folge übermäßiger Spekulationen zum Zusammenbruch des Magdeburger Zuckerhandels, in dessen Folge 1890 die Magdeburger Zucker-Liquidationskasse gegründet wurde, deren Ziel und Aufgabe in der Absicherung der Magdeburger Kaufleute bei der Abwicklung von Zucker-Termingeschäften an der Magdeburger Zuckerbörse bestand. Auf vielfachen Wunsch übernahm P. als Direktor die Leitung dieser Institution, an deren Einrichtung er maßgeblich beteiligt war. Seine Firma gab er nach 23 Jahren zugunsten der Liquidationskasse auf. Im Rahmen seiner Mitgliedschaft in der Magdeburger Korporation der Kaufmannschaft, deren Dritter Vorsteher er von 1881 bis Ende 1900 war, engagierte er sich im Zoll- und Steuerwesen, insbesondere in Fragen der deutschen Zuckersteuergesetzgebung und der Beeinflussung der Rentabilität des deutschen Zuckergewerbes durch die Steuer- und Zollpolitik, im Verkehrswesen durch die Mitarbeit im Bezirks- und Landeseisenbahnrat sowie beim Kampf um den Bau des Mittelland-Kanals, im Schiedsgerichtswesen als Vorsitzender des allgemeinen Schiedsgerichts der Korporation bzw. der Handelskammer und seit 1899 als Vorsitzender des Handelkammer-Schiedsgerichts für Getreidehandel, in der Lehrlingsausbildung und im kaufmännischen Unterrichtswesen, u. a. durch die Einführung des obligatorischen Tagesunterrichts. Er war seit 1886 Vorstandsmitglied der kaufmännischen Fortbildungsschule und seit Ende 1896 Vertreter der Kammer im Deutschen Verband für das kaufmännische Unterrichtswesen. P. gehörte seit Mitte der 1860er Jahre der Fortschrittspartei an. Er wurde Ende 1867 Mitglied der Stadtverordnetenversammlung (erst Armendeputation, dann Waisenkommission) und im Sommer 1871 Stadtverordneter (Schuldeputation, Handelsdeputation, Kommission zum Bau des neuen Stadttheaters, Vorsitzender der Wahlkommission), zuletzt bis Ende 1885 als stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher. P.s Verbundenheit mit der Stadt Magdeburg und sein vielseitiges Interesse zeigten sich auch in vielen Mitgliedschaften in unterschiedlichsten Institutionen. So engagierte er sich für die Wirtschaft als Vertreter im Deutschen Handelstag, als mehrfaches Aufsichtsratsmitglied (Hamburg- Magdeburger Dampfschiffahrtsgesellschaft, Magdeburg-Halberstädter Eisenbahn-Gesellschaft) und als Verwaltungsratsmitglied (Dessauer Landesbank, Magdeburger Wasser-Assecuranz-Gesellschaft, Magdeburger Privatbank u. a.) ebenso wie seit 1852 als Mitglied im Männer-Turn-Verein (Vorstandsmitglied), seit 1862 als Mitglied der Loge “Ferdinand zur Glückseligkeit” und seit 1867 als Presbyter der Wallonisch-Reformierten Gemeinde.

Werke: Ein Rückblick auf mein Leben, insbesondere auf die Entwicklung des Handels in den letzten fünfzig Jahren, 1900; Der Zuckerhandel, 1905.

Literatur: O. P., Rückblick auf mein Leben, 1900; Martin Behrend, Magdeburger Großkaufleute, 1906, 11, 101–105 (B); Wilhelm Stieda, O. P., in: GeschBll 62, 1927, 68–71.

Bildquelle: *LHASA.

Horst-Günther Heinicke