Lenné, Franz Joseph August
geb. 02.12.1848 Deutz bei Köln,
gest. 07.10.1924 Remagen,
Oberstleutnant a.D., Direktor.

L. stammte aus einer Offiziersfamilie. Sein Vater, Joseph August L., war am Tag seiner Geburt Ingenieur und gemeiner Leutnant. Zur Vita von L. ist wenig bekannt. Nach abgeschlossener Schulbildung schlug er ebenfalls die militärische Laufbahn ein. Er war Kriegsveteran von 1870/71, aktiver Kriegsteilnehmer 1914/18 und Ritter hoher Orden. L. trat 1894 als Nachfolger von Oberstleutnant Diener als Direktor in das Fried. Krupp Grusonwerk Magdeburg ein, übernahm das Kanonenressort I (Kriegsmaterial, Hartgußpanzertürme und Geschosse) und erhielt 1898 Prokura. Bezüglich der Herstellung, Qualität und des Absatzes von Kriegsmaterial hatte das Grusonwerk Magdeburg seinen Zenit erreicht. Grundlage dafür waren die soliden, nach neuesten militärtechnischen Aspekten von Maximilian Schumann konstruierten Panzertürme für Inlandbefestigungen, Türme mit Minimalscharten-Lafetten oder Grubenlafetten neuester Konstruktion mit Rücklauf, Hartguß- Panzerbatterien und -stände sowie gepanzerte Beobachtungsstände für Küsten-Befestigung und das Binnenland, aber auch Schnellfeuerkanonen mit Lafetten, Munition und sonstigem Zubehör sowie die werkstofftechnischen Voraussetzungen durch die Belastungsanpaßbarkeit des von Hermann Gruson entwickelten Hartgusses. Im Rahmen von Schießversuchen wurden zwischen 850–1.250 mm dicke und annähernd 100 t wiegende Hartgußpanzerplatten mit Geschossen von 1 t Masse und einer Auftreffgeschwindigkeit von 537 m/s beschossen. Dabei wurde eine “lebendige Kraft” (gab das Verhältnis der kinetischen Energie des auftreffenden Geschosses zur Erdbeschleunigung an und diente der empirischen Dimensionierung der Panzerplattendicken) des Geschosses von 14.700 tm frei. Mit den Ergebnissen der fortlaufend durchgeführten Schießversuche führte L. Beratungs- und Lieferverhandlungen zur Grusonschen Panzerungs- und Waffentechnik in mehreren Ländern der Erde – so 1894 in Rio de Janeiro (Brasilien) und 1895 in Tientsien und Peking (China), u. a. beim Vizekönig Wang. L. erhielt dafür Auszeichnungen, u. a. 1901 die Anlegung des Kommandeurskreuzes des japanischen Ordens vom kleinen Schatze und die China-Denkmünze. Anläßlich seines Ausscheidens 1915 aus dem Werk ehrte Kurt Sorge L. mit den Worten: “Wenn auch die Entwicklung der modernen Geschütz- und Panzertechnik es mit sich gebracht hat, daß die Panzerbefestigungen des Grusonwerkes, deren Herstellung lange Jahre an erster Stelle standen, in letzterer Zeit nicht mehr in der Ausdehnung Anwendung fanden und finden konnten wie bisher, so haben Sie doch nicht nur wesentlich zu den geschäftlich günstigen Resultaten des Krupp Grusonwerkes in den letzten Jahrzehnten, sondern vor allem auch dazu beigetragen, daß der Name dieses Werkes im Ausland dauernd mit der Entwicklung der neuen Kriegstechnik verbunden bleiben wird und daß der Weltruf des Werkes durch die Güte seiner Konstruktionen und Sorgfalt seiner Ausführungen geschaffen wurde und für lange Zeit gesichert ist”. Ausgehend vom Entwicklungsstand der Militärtechnik und seiner Verlagerung in das Stammwerk nach Essen, verkörperte L. einen der letzten befähigten Direktoren des Panzer- und Befestigungsbereiches des Fried. Krupp Grusonwerkes Magdeburg.

Literatur: Julius von Schütz, Gruson’s Hartguss-Panzer, 1887; ders., Hartguß-Panzerungen und Minimalscharten-Lafetten, System Gruson, 1890; ders., Die Panzerlafetten auf den Schießplätzen des Grusonwerks bei Magdeburg-Buckau und Tangerhütte, 1890; ders., Der Hartguss und seine Bedeutung für die Eisenindustrie, 1890; N. N., Die Einnahme von Kiaotschau, in: Magdeburgische Zeitung vom 23.09.1898.

Archivalien: Grusonwerk Magdeburg-Buckau, Telegramm-Schlüssel, Theil I für Kriegsmaterial, Pulvermaschinen und Ausrüstungen, Mai 1892 (Archiv der Fried. Krupp AG Essen: S2 Gru 16/1); Archiv der Fried. Krupp AG Essen: WA 4/2047 und WA 131/167.

Werner Hohaus

letzte Änderung: 10.02.2005