Gurlitt, Johann Gottfried, Prof. Dr. phil.
geb. 13.03.1754 Halle,
gest. 14.06.1827 Hamburg,
Pädagoge, Philologe.

G. wuchs als Sohn des Schneidermeisters Johann Georg G. in Leipzig auf, besuchte nach anfänglichem Privatunterricht durch seinen Vater ab 1762 die dortige Thomasschule und wechselte im Herbst 1772 aufgrund seiner überdurchschnittlichen Begabung für Sprachen an die Leipziger Universität, wo er klassische und orientalische Sprachen studierte und zudem Kenntnisse des chaldäischen, arabischen und koptischen Sprach- und Schrifttums erwarb. Als Schüler Platners, Morus’ und Zollikofers widmete er sich historischen, theologischen, philosophischen und philologischen Studien. Durch persönliche Vermittlung Platners trat G. im Frühjahr 1778 eine Stelle als Oberlehrer am Pädagogium des Klosters Berge bei Magdeburg an, einer unter Friedrich Gabriel Resewitz entschieden der Aufklärung zugewandten Schule. Hier unterrichtete er Latein und Griechisch, Philosophie und Geschichte der Philosophie sowie Kunstgeschichte und Altertumskunde. Ab 1779 versah er gemeinsam mit Johann Friedrich Lorenz das Rektorat der Schule, gehörte seit 1786 dem Konvent des Klosters an und avancierte 1796 nach dem Rückzug Lorenz’ und der Adjungierung des Konsistorialrates Christian Schewe zum alleinigen Direktor des Pädagogiums. In dieser Eigenschaft suchte G. durch Einführung halbjährlicher Examina, öffentlich ausgelobte Schülerprämien, Schaffung einer modernen Lesebibliothek für Schüler und modifizierte Lehrpläne der individuellen, an idealen Inhalten ausgerichteten wissenschaftlichen Bildung verstärkt Raum zu geben, die auf einen im Sinne der Aufklärung selbstbewußt denkenden und handelnden Bürger abzielte. Als führendes Mitglied des Konvents setzte er sich vehement für die Beibehaltung des demokratischen Mitbestimmungsrechts bei der Abtwahl ein. Seine pädagogischen Maximen fanden ihren Niederschlag in einer Vielzahl philologischer, philosophischer, pädagogischer und kunsttheoretischer Schriften, durch die er sich einen hervorragenden wissenschaftlichen Ruf erwarb. Besonderen Raum zur Entfaltung aufklärerisch-neuhumanistischer Ideen fand G. als Mitglied der Magdeburger Loge “Ferdinand zur Glückseligkeit”, der er seit 1784 angehörte. 1785 besaß G. bereits den Meistergrad und fungierte als Redner der Loge. Erfüllt von der Hoffnung, die Freimaurerei könne dem Prozeß der Bildung und Erziehung des Menschen zur Vernunft, der Verbesserung der Sitten und der Beförderung der gesamten Gesellschaft zur Humanität nützlich sein, hielt er in den Jahren 1785/86 sechs Reden in der Loge, die Forderungen nach Überwindung orthodoxer Dogmen und Verwirklichung aufklärerischer Ideale, verbunden mit einer teleologischen Geschichts- auffassung, enthielten. Enttäuscht von der Widersprüchlichkeit freimaurerischer Praxis, die mit seinen Intentionen nicht in Einklang zu bringen war, wandte sich G. schon 1790 von der Freimaurerei ab und verließ die Magdeburger Loge. 1802 folgte er einem Ruf an das Hamburger städtische Gymnasium, das Johanneum, dessen Direktor er wurde. Er stand dieser kombinierten Gelehrten- und Bürgerschule bis 1827 mit großem Erfolg vor und machte sowohl als Pädagoge durch bedeutende Reformen im städtischen Bildungswesen wie als Gelehrter und Wissenschaftler weit über die Grenzen Hamburgs hinaus auf sich aufmerksam.

Werke: Über das Studium der Wahrheit und Weisheit und über die Menschenliebe des echten Maurers, 1785; Abriß der Geschichte der Philosophie, 1786; Biographisches und litterarische Notiz von Joh. Winckelmann, 1797; Schulschriften (2 Bde), 1801–1828; Cornelius Müller (Hg.), Gurlitts archäologische Schriften, 1831.

Nachlaß: Gleimhaus zu Halberstadt; Bibliothek des Grootosten’s der Nederlanden, s’Gravenhage.

Literatur: ADB 10, 182–185; Neuer Nekr 5, 1829, 592–605; Hans Schröder, Lexikon der hamburgischen Schriftsteller, Bd. 3, 1857 (W); Ämil Funk, Geschichte der Loge “Ferdinand zur Glückseligkeit” im Orient Magdeburg im ersten Jahrhundert ihres Bestehens, 1861; Ersch/Gruber, Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste, Sek. A, Bd. 97, 1878, 365–370; Heike Kriewald, Ferdinand zur Glückseligkeit, 1992; Uwe Förster, Unterricht und Erziehung an den Magdeburger Pädagogien zwischen 1775 und 1824, Diss. Magdeburg 1998.

Bildquelle: *KHM Magdeburg.

Heike Kriewald