Werveke,
Leopold van, Dr. phil. |
Der aus einem alten flämischen Geschlecht stammende W. war nach Studium und Promotion in Straßburg langjährig an der Geologischen Landesanstalt für Elsaß-Lothringen in Straßburg tätig. Hier beschäftigte sich W. vornehmlich mit den geologisch-hydrographischen Verhältnissen des Landes und wirkte u. a. bei der Erarbeitung geologischer Spezialkarten und am “Handbuch für den Deutschen Braunkohlenbergbau” (21915 mit G. Klein) mit. W. trat 1918 in den Ruhestand, verließ 1919 sein Arbeitsgebiet und hielt sich zeitweilig in Gengenbach/Schwarzwald auf. 1921 übersiedelte er nach Magdeburg. Hier erforschte er intensiv das Diluvium Nord- und Mitteldeutschlands, insbesondere Magdeburgs und seiner Umgebung, und veröffentlichte zahlreiche Aufsätze zu diesem Thema. Als Ergebnis umfangreicher Beobachtungen in der Landschaft – er untersuchte die in vorgeschichtlicher Hinsicht wichtigen Hundisburger Ablagerungen – konstatierte er 1924 vier, 1928 schließlich sechs Vereisungen des Gebietes (anstelle der angenommenen drei). Er sah überdies den Löß als Sediment in Gewässern an und leugnete die äolische Bildung dieser spätpleistozänen Ablagerung. Zudem beschäftigte er sich mit der Erschließung der Bodenschätze und der Wasserversorgung des Magdeburger Gebietes. Anläßlich der Tagung der Vorgeschichtsforscher 1928 und des Deutschen Geographentages 1929 in Magdeburg trat W. mit grundsätzlichen Publikationen hervor. Da er die Landschaft erst im hohen Alter kennenlernte, mußte “er als alter ungelenker Mann” teilweise darauf verzichten, aktuelle Aufschlüsse selbst aufzusuchen und sich aus eigener Anschauung eine Meinung zu bilden. Dadurch geriet er mitunter ungewollt in wissenschaftliche Auseinandersetzungen, W.s Ansichten erfuhren vor allem durch die Preußische Geologische Landesanstalt in Berlin, aber auch von anderer Seite fundierten Widerspruch (vgl. Fritz Wiegers, 1929). Auch die von Felix Wahnschaffe und Konrad Keilhack seit 1880 eingeleiteten wissenschaftlichen Festlegungen und Bezeichnungen für Mittel- und Norddeutschland konnte er nicht beeinflussen bzw. verändern. Anerkannt und häufig publiziert ist sein geologisches Profil des Weinbergs bei Hohenwarthe, wo während der Saaleeiszeit die Elbe nach Norden durchbrach. Indem er seine in großer Zahl publizierten geologischen Erkenntnisse mit solchen aus der Archäologie verband und auch die lokale Presse zu seinem Sprachrohr machte, wußte W. ein Jahrzehnt lang eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Er war Mitglied bzw. Ehrenmitglied von acht wissenschaftlichen und mehreren heimatkundlichen Vereinen, so z. B. des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Magdeburg, des Aller-Vereins in Neuhaldensleben, des Heimatvereins im alten Holzkreise in Eilsleben, und arbeitete zudem am Heimatblatt für das Land um obere Aller und Ohre mit. Im modernen geologischen Schrifttum wird W. kaum noch beachtet, doch verdienen die von ihm dokumentierten und veröffentlichten zahlreichen Beobachtungen inzwischen verlorener pleistozäner Aufschlüsse noch immer Interesse.
Werke: Nachweis von Sandlöß der letzten Eiszeit in Fermersleben, in: MonBl 1925, 344; Der Untergrund des Magdeburger Domes, in: ebd. 1926, 207; Ein diluvialer Sattel bei Möser, in: ebd. 1926, 353–355; Die Sohlener und Frohser Berge nebst dem Hummels-Berge, ihre Gestaltung und ihre Entstehung, in: ebd. 1926, Nr. 48/49; Das Diluvium in der Kölner Straße und in der Wilhelmstadt nördlich der Schrote, in: ebd. 1926, 161–163, 174f.; Gletscherablagerungen am Großen Wart-Berge bei Irxleben und an den Hängels-Bergen bei Hohendodeleben sowie westlich von Diesdorf, in: ebd. 1927, Nr. 30, 35; Das Landschaftsbild der Umgebung von Braunlage, das formenreichste des Harzes, 1927; Norddeutschland war wenigstens viermal von Inlandeis bedeckt, in: Zs. der Deutschen Geologischen Gesellschaft, 1927, 135–155; Ausbildung, Entstehung und Gliederung des Diluviums der Magdeburger Gegend als Grundlage zur Einordnung vorgeschichtlicher Funde, in: August Mertens (Hg.), Fs. zur 10. Tagung für Vorgeschichte, Museum für Natur- und Heimatkunde Magdeburg, 1928, 7–147; Das Diluvium von Magdeburg und seiner weiteren Umgebung auf Grund der neuesten Beobachtungen, in: Beiträge zur Landeskunde Mitteldeutschlands. Fs. des 23. Deutschen Geographentages in Magdeburg, 1929, 157–254; Die Zahl der Vereisungen in Mittel- und Norddeutschland., in: 25. Jb. des Niedersächsischen Geologischen Vereins 1932/33, 1933, 201–228; zahlreiche weitere Beiträge im MonBl.
Nachlaß: Geologenarchiv Freiburg/Breisgau, Außenstelle für Ur- und Frühgeschichte des Landes Sachsen-Anhalt Magdeburg; Bördemuseum Ummendorf (Briefe).
Literatur: Fritz Wiegers, Über Gliederung und Alter des Magdeburger Diluviums und die Zahl der Eiszeiten in Norddeutschland, in: Jb. der Preußischen Geologischen Landesanstalt für 1929, 1929, 1–124; Carl Engel, L. v.W. †, in: MonBl 1933, 278f.
Jürgen Werner Hubbe/Heinz Nowak