Zschokke, Johann Heinrich
Daniel (eigentlich Schokke), Dr. phil. |
Z. wurde als Sohn eines Altmeisters der Magdeburger Tuchmacherinnung geboren, verlor seine Eltern früh und wohnte u. a. beim emeritierten Rektor des Altstädter Gymnasiums Magdeburg, Elias Kaspar Reichard. Ab 1790 studierte er evangelische Theologie, Philosophie und Jura an der Universität Frankfurt/ Oder (Promotion 1792), war nach einer Tätigkeit als Gastprediger in Magdeburg (1792), einer Privatdozentur in Frankfurt/Oder und einer ausgedehnten Europareise ab 1797 zunächst Leiter des Philanthropins in Reichenau/ Schweiz, später Regierungskommissar, Regierungsstatthalter der Schweiz und 1815–1841 Mitglied des Großen Rats des Aargaus. Er gilt als einer der liberalen Wegbereiter des schweizerischen Bundesstaats. Z. trat als Schriftsteller und Politiker, als Historiker und Volksbildner (in enger Verbindung mit Heinrich Pestalozzi) zeitlebens für die demokratische Verwirklichung aufklärerischer Ideale ein. Zu seinen Interessen gehörten außer Geschichte, Theologie, Philosophie und Jura auch Naturwissenschaften, Land- und Forstwirtschaft und – im Zuge seiner amtlichen Verpflichtungen – das Finanz- und Polizeiwesen. Er war einer der meistgelesenen und einflußreichsten deutschsprachigen Autoren des 19. Jahrhunderts; die von ihm herausgegeben Zeitschriften erlangten europaweite Verbreitung. Frühen Erfolg hatte er als Theaterschriftsteller (u. a. mit dem Räuberstück “Abaellino, der große Bandit”, gedruckt 1795, nach dem gleichnamigen Roman); er arbeitete mit Heinrich von Kleist an der Idee zum “Zerbrochenen Krug” und veröffentlichte zahlreiche Erzähltexte (u. a. “Hans Dampf in allen Gassen”, 1814; “Das Goldmacherdorf”, 1817; “Das Abenteuer in der Neujahrsnacht”, 1818; “Der Flüchtling im Jura”, 1822; “Der Freihof von Aarau”, 1823). Z. wurde aufgrund seiner historischen Arbeiten (u. a. eine mehrbändige Geschichte Bayerns) von der bayrischen Regierung für den Adelstitel und die Bayrische Akademie vorgeschlagen. Beides lehnte er als Republikaner ab, nutzte aber seinen Einfluß, die wissenschaftliche Anerkennung Joseph Fraunhofers, den er beim Besuch der Glashütte in Benediktbeuren schätzengelernt hatte, zu betreiben. Bemerkenswert ist die Nähe zur Stadt seiner Herkunft: Die Erzählungen “Kriegerische Abenteuer eines Friedfertigen” (1822) und “Der Feldwebel” (1823) weisen Magdeburger Motive aus, das Vorsatzblatt seiner Autobiographie “Eine Selbstschau” (1842), in der er seine Jugend in Magdeburg ausführlich beschrieb, lautet “Der Vaterstadt Magdeburg gewidmet”. 1830 verlieh ihm der Magistrat der Stadt unter Oberbürgermeister August Wilhelm Francke die Ehrenbürgerwürde, ein Magdeburger Zschokkeverein unter Carl Gottfried Kretschmann ist erstmals 1844 nachweisbar.
Werke: s.o; Gesammelte Schriften (35 Bde), 1851–1854; Hans Bodmer (Hg.), H. Z., Werke (12 Bde), 1910.
Nachlaß: StA Aarau.
Literatur: ADB 45, 449–465; BBKL 15, Sp. 1588-1595; Killy 12, 523f.; Otto Fuhlrott, J. H. D. Z., in: Magdeburger Blätter 1988, 56–63 (B); Werner Bänziger, “Es ist freilich schwer, sein eigenes Bild mit Treue zu malen …”. Die Autobiographien von Pestalozzi, Z. und Wessenberg, 1996; Der Briefwechsel von H. Z. Schlußbericht des DFG-Projektes (Projektleiter Robert Hinderling/Rémy Charbon), Bayreuth 1998; Martina Prescher, Vergleichende Untersuchungen zu den Autobiographien von J. H. Z., Carl Immermann und Johann Stephan Schütze, Staatsexamensarbeit Magdeburg 2001.
Bildquelle: *StadtA Magdeburg.
Gunter Schandera