Schütze, Johann Stephan
geb. 01.11.1771 Olvenstedt bei Magdeburg,
gest. 19.03.1839 Weimar,
Schriftsteller, Herausgeber, Hofrat.

S., ein Bauernsohn, besuchte nach Kaufmannslehre und Handelsschule das Pädagogium des Klosters Berge bei Magdeburg (1789–94), begann spät ein Theologiestudium in Halle, später Erlangen (1794–97), arbeitete kurz als Privatlehrer und Hofmeister und ging 1804 nach Weimar. Hier wollte S. erklärtermaßen Dichter werden. Möglich machte ihm das sein reicher Onkel, der in Magdeburg ein Handelshaus führte. Von Wieland in die Weimarer Gesellschaft eingeführt, eroberte sich der verwachsene, zurückhaltende Mann mit dem scharfen Blick in Weimar schnell eine Position als wunderliches Original. Er vermied Abhängigkeiten, suchte aber Kontakt zu den Einflußreichen, vor allem zum Weimarer Hof. S. arbeitete schon früh als Autor für Zeitungen und Taschenbücher (u. a. Cottasches Morgenblatt und “Beckers Taschenbuch zum geselligen Vergnügen”). Er wurde der Chronist der Abendgesellschaften der Johanna Schopenhauer, war über dreißig Jahre Herausgeber des beliebten “Taschenbuches der Liebe und Freundschaft gewidmet” (TdLF) und gab Periodika wie Der Wintergarten, Der Frühlingsbote und das Journal für Literatur, Kunst, Luxus und Mode heraus. Diese Tätigkeit, eine Erbschaft und das Ehelichen der wohlhabenden Witwe Wilhelmine Schäler garantierten ihm auch nach des Onkels Tod Wohlstand und materielle Unabhängigkeit. S. begleitete Goethe auf Badfahrten und arbeitete mit Künstlern wie E. T. A. Hoffmann, Ludwig Bechstein und Albert von Chamisso zusammen. Zu seinem Freundeskreis zählten viele, die man auch aus Goethes Umfeld kennt: Friedrich Riemer, Friedrich von Müller, Johann Eckermann u. a. S. war in Musikerkreisen auf Grund seiner ästhetischen Schriften (“Theorie des Reims”, 1802, “Theorie des Komischen”, 1817) und der oft vertonten Gedichte (Friedrich Methfessel, Carl Friedrich Zelter) ein beachteter Mann. Er war Gründungsmitglied der Weimarer Kunstfreunde und um die Erhaltung des Goetheschen Erbes bemüht – obwohl er ein interessant-zwiespältiges Verhältnis zu Goethe hatte. S. ist als beobachtender Zeitgenosse und als Träger eines sich neu formierenden Mediums, das der Taschenbücher, interessant. Ein amerikanischer Germanist entdeckte S. als Literaten: Nach Analyse der Erzählung “Die Candidaten” (1839 in: TdLF) gab er ihm das Prädikat: bester Erzähler der Goethezeit!

Werke: s. o.; Der Dichter und sein Vaterland, 1806, 21839; Abentheuerliche Wanderung von Weimar nach Carlsbad, in: Taschenbuch auf das Jahr 1810; Gedanken und Einfälle über Leben und Kunst, 1810; Gedichte, 1810; Der unsichtbare Prinz, 1812–13; Heitere Stunden (3 Bde), 1821–23, 21828; Gedichte ernsthaften und scherzhaften Inhalts, 1830; Lebensgeschichte (2 Bde), 1834 (B).

Nachlaß: Archiv Goethe-Museum Düsseldorf; Archiv Verlag Klett-Cotta Stuttgart.

Literatur: ADB 33, 146f.; Neuer Nekr 17, 1841; Killy 10, 421f.; Kosch LL 16, Sp. 504f.; Alexander von Sternberg, Erinnerungsblätter, Bd. 1, 1855, 161–164; Oskar Ludwig Bernhard Wolff, Portraits und Genrebilder, Bd. 3, 1839, 217–233; Karl Goedecke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den Quellen, Bd. IX/2, 21910, 317–327 (W); Heinrich Meyer, Die Kunst des Erzählens, 1972; Friedrich Sengle, Biedermeierzeit, Bd. 2, 1972; Zdenko Skreb, Gattungsdominanz im deutschsprachigen literarischen Taschenbuch, 1986, 70–139; Ellen Richter, J. S. S. – Bausteine zu einer Monographie, Magisterarbeit Magdeburg 1999 (W).

Bildquelle: *StadtA Magdeburg.

Ellen Richter

letzte Änderung: 01.03.2005