Heise, Katharina
Ps.: Karl Luis Heinrich-Salze
geb. 03.05.1891 Groß Salze,
gest. 05.10.1964 Halle,
Bildhauerin, Graphikerin.

Als Tochter eines sehr wohlhabenden Landwirts erhielt H. nach dem Schulbesuch Unterricht in Buchführung, Stenographie und Schreibmaschine, ehe sie die Kunstgewerbeschule in Magdeburg besuchte (Lehrer: u. a. Richard Winckel, Benno Marienfeld). Nach einer gemeinsamen Studienreise 1913/14 mit ihrer Schwester Annemarie H. nach Paris war sie von 1914 bis 1942 in Berlin ansässig. Dort erfolgte 1916 die erste Veröffentlichung von Holzschnitten in der links-progressiven Zeitschrift Die Aktion. Ein Jahr später wechselte sie auf Anraten von Käthe Kollwitz zur Bildhauerei und erfuhr Unterstützung durch Hugo Lederer. 1918 erschien zum 100. Geburtstag von Karl Marx ihr Holzschnitt-Porträt auf der Titelseite der Aktion und das Sonderheft “Karl Luis Heinrich-Salze” (H.s Pseudonym, das sie bis Anfang der 1930er Jahre in unterschiedlichen Varianten und Schreibweisen benutzte, um sich in der maskulin beherrschten Kunstwelt besser durchsetzen zu können), das die Sonderausstellung der Galerie “Die Aktion” begleitete. H. war Schriftführerin und zeitweise zweite Vorsitzende im Frauenkunstverein Berlin, dessen Ehrenvorsitzende Käthe Kollwitz war. Sie nahm an Ausstellungen der Novembergruppe (u. a. 1921), der Akademie der Künste Berlin (1925), an der Großen Pariser Kunstausstellung (1926), im Folkwang- Museum (1929), in der Galerie Billiet Paris (1931) und der internationalen Ausstellung “Frauen in Not” (1931) teil. Ihr Werk fand in der Öffentlichkeit starke Resonanz und wurde in der Presse z. T. heftig diskutiert (z. B. die Plastik “Das Urweib”). Wichtige Aufträge für Plastiken und Textil erhielt sie von den Gewerkschaften für deren Gebäude in Magdeburg, Düsseldorf und Berlin. In dieser Zeit arbeitete H. auch an Ernst Niekischs Zeitschrift Widerstand mit. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde H. als “entartet” verfemt und zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück. 1942 in Berlin ausgebombt, kehrte sie schließlich in ihr Elternhaus nach Schönebeck zurück, wo sie ihr Werk bis ans Lebensende fortsetzte, ohne jedoch den Erfolg der 1920er Jahre wieder erleben zu dürfen. Nach 1945 waren ihr, die im Heimatort als “Kulakentochter” beschimpft wurde, nur wenige Ausstellungen, u. a. in Leipzig, Dresden, Halle, Schönebeck und Magdeburg, vergönnt. 1945 und 1947 entstanden Entwürfe zu Opfer des Faschismus-Ehrenmalen, und 1953 nahm sie am internationalen Wettbewerb für ein “Denkmal des unbekannten politischen Gefangenen” in London mit einem künstlerisch mutigen Entwurf teil. Neben Arbeiten für Kirchen in Nachterstedt und Magdeburg entstand 1959 auch ihr Porträt “Anne Frank”. Ihr privater Freundeskreis richtete ihr 1959 in Schönebeck eine Personalausstellung ein, und in Magdeburg stellte der Künstlerverband 1961 das Werk der beiden Schwestern H. vor. Sie starb 1964 in einem Hallenser Krankenhaus.

Werke: Plastiken (bemalte Sandsteinreliefs): “Kindermord”; “Tanz”, um 1919 (Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg); expressionistische Holzschnitte wie “Karl Marx”, bewegte Figurationen in der Landschaft (KHM Magdeburg) – Schriften: Autobiographie, Typoskript vermutlich 1950er Jahre.

Nachlaß: Staatliche Galerie Moritzburg Halle; Angermuseum Erfurt; Kreismuseum Schönebeck; KHM Magdeburg; Sammlung Jörg-Heiko Bruns, Erfurt-Molsdorf (privat).

Literatur: Expressionisten-Ausstellung Magdeburg, Kat. (Text: Kurt Pinthus), 1916; La Revue Moderne illustrée des Art et de la Vie, Paris 1929; Chicago Daily Tribune, 29.04.1931; Vossische Zeitung, Morgenausgabe, vom 30.04.1931; Adolf Behne, in: Welt am Abend, Nr. 243, 1931; Faltblatt der International Sculpture Competition zur Ausstellung der Modelle des “Denkmals des unbekannten politischen Gefangenen”, Berlin/West, 1953; Faltblatt K. und Annemarie H., VBK Deutschlands Magdeburg, 1961; Hans Oldenburger, Leben und Werk K. H., Diplom-Arbeit Pädagogische Hochschule Erfurt, maschinengeschrieben 1962; ders., in: Volksstimme Magdeburg vom 27.01.1965; Jörg-Heiko Bruns, K. H. – Hinweis auf eine vergessene Künstlerin, in: Bildende Kunst, H. 7, 1983, 333–335; ders., K. H., Kat. Galerie erph Erfurt 1985; Thomas Rietzschel (Hg.), Die Aktion 1911–18. Eine Auswahl, 1986; Stephanie Barron (Hg.), Expressionismus – Die zweite Generation. 1915–25, 1989; Gerhart Söhn, Hdb. der Original-Graphik in deutschen Zss., Mappenwerken, Kunstbüchern und Katalogen, 1890–1933, 1992 (W Holzschnitte); Profession ohne Tradition. Verein Berliner Künstlerinnen, Kat. Berlinische Galerie 1992; Karin Adelsbach/Andrea Firmenich (Hg.), Tanz in der Moderne, Kat. Emden 1996; Anja Cherdron, “Prometheus war nicht ihr Ahne”. Berliner Bildhauerinnen der Weimarer Republik, 2000.

Bildquellen: KHM Magdeburg; *Archiv und Sammlung Jörg-Heiko Bruns, Erfurt-Molsdorf (privat).

Jörg-Heiko Bruns