Lehmann, Heinrich Ludwig |
Der Sohn des prinzlichen preußischen Amtmannes Friedrich Ludwig L. studierte ab 1772 in Halle (nach eigenen Angaben evangelische Theologie, war aber für Jura immatrikuliert). Danach war er an verschiedenen Orten in Italien und in der Schweiz als Erzieher tätig, bevor er auf Empfehlung von Johann Kaspar Lavater 1783 Lehrer und Rektor der Stadtschule in Büren (Schweiz) wurde. Nachdem eine seiner Schriften das Mißfallen der Berner Regierung erregt hatte, entfernte er sich 1792 heimlich aus Büren und ging ins revolutionäre Frankreich. Als ein Freund unter der Guillotine endete, verließ er Paris Richtung Berlin. Bei Verwandten in Barby, die er auf der Reise besuchte, wurde er im Juni 1794 wegen angeblicher revolutionärer Umtriebe verhaftet, bald jedoch wieder freigelassen. L. ließ sich danach in Magdeburg nieder und war hier ab 1795 zunächst als Privatgelehrter, dann als Lehrer an der Handlungsschule und ab 1796 kurzzeitig und erfolglos als Leiter einer Privatschule für Mädchen tätig. L. galt über viele Jahre als politisch unzuverlässig (Franzosenfreund und später als westfälischer Polizeispitzel) und bemühte sich energisch, diesen Eindruck zu widerlegen. In Magdeburg arbeitete er u. a. als Redakteur der zweiten Magdeburger Tageszeitung, des von Johann Valentin Hessenland herausgegebenen Magdeburgischen Mercur (1798), die bald nach Erscheinen aufgrund von Privilegstreitigkeiten mit dem Druckhaus von Carl Friedrich Faber verboten wurde. Auch die Übertragung des Verlags der Zeitung an einen ausländischen Buchhändler (Andreas Füchsel in Zerbst) änderte daran nichts. L. war zudem Herausgeber des ersten “Handlungs- und Fabriken-Addreßbuchs” der Stadt Magdeburg (1801) und der Monatsschrift Die reisenden Brüder, oder der Beobachter an der Elbe (1800–1811), die sich ausdrücklich nicht an ein gelehrtes Publikum, sondern an Bürger und Bauern richtete und eindeutig unterhaltend-informativen Charakter trug. Als Schriftsteller verfaßte L. populäre, romantisierende Romane, Räubergeschichten und Abhandlungen über die Geschichte der Schweiz.
Werke: Documentirte Geschichte einer durch die Magdeburgische Krieges- und Domainen-Kammer veranstalteten Confiscation eines unter gesetzmäßiger Censur zu Magdeburg hg. ökonomisch-politischen Journals, der Magdeburgische Merkur genannt, 1799; Rodolpho von Sancta Croce und Blandina von Riedberg oder das Alpenfräulein (2 Bde), 1800; Romantische Biographie des Räuberhauptmanns und Lustgärtners Theodor Unger, gen. der große Karl, 1809; Magdeburgische Chronik oder Hauptbegebenheiten aus der Geschichte Magdeburgs und der umliegenden Gegend, 1811.
Literatur: Hamberger/Meusel, Bde 4, 10, 18, 23; Johann Christian Friedrich Berghauer, Magdeburg und die umliegende Gegend (2 Bde), 1800, 332f. (W); Karl Goedeke, Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung, Bd. V, 536; Otto Heinemann, Zur Geschichte der magdeburgischen Zeitungen und Zss., in: GeschBll 56/59, 1921/24, 1–28; Norbert Pohlmann, H. L. L. und der “Magdeburgische Merkur”. Der Beginn demokratischer Pressebemühungen in Magdeburg – ein Beitrag zur Charakterisierung publizistischer Verhältnisse Magdeburgs im Umfeld der Französischen Revolution, Diplom-Arbeit Magdeburg 1987.
Archivalien: LHASA: Rep. A 5, Nr. 899; Rep. A 9a VI, Nr. 824; LHASA, Außenstelle Wernigerode: Rep. B 18 I, Nr. 405.
Heiko Borchardt
letzte Änderung: 10.02.2005