Göschel, Karl Friedrich, Dr.
jur. |
Der Sohn eines Hofrates und Amtmannes trat nach der Schulzeit in Langensalza und Gotha (1800–03) und dem Jurastudium in Leipzig (1803–07) in den Dienst seiner Vaterstadt. 1819 wurde er in preußische Dienste an das Oberlandesgericht Naumburg berufen. Neben seiner Justiztätigkeit betrieb er literarische, philosophische, theologische und historische Studien und war auch als dilettierender Schriftsteller tätig. In Naumburg schloß sich G. pietistischen Konventikeln an und kam so mit der konfessionellen Erweckungsbewegung in Berührung. Dabei verband er die geistigen Strömungen des Biedermeiers mit der Regeneration des christlichen Glaubens, mit der Dichtung Goethes und der Philosophie Hegels. Mit seinen “Aphorismen über Nichtwissen und absolutes Wissen im Verhältnis zur christlichen Glaubenserkenntnis” (1829) wurde er trotz fehlender persönlicher Kontakte zu Hegel und seiner Schule zum Vertreter des rechten Flügels der Hegelianer. Im Prozeß um die Erneuerung des christlichen Glaubens und die Bildung einer konfessionell sich einenden preußischen Staatskirche bewegte sich G. im Bereich einer kontemplativen Gnosis und der vom christlichen Logos bestimmten Symbolik. Im gesellschaftlichen Sektor war G. institutionenkonservativ und Vertreter einer strikten öffentlichen Ordnung. Damit unterlag G. bald nicht nur der linkshegelianischen exoterisch-aktivistischen Gnosis, die sich bis Mitte der 1830er Jahre durchsetzte. Als G. 1834 als Rat in das preußische Ministerium der Justiz berufen wurde, hielten seine Freundschaften zu Ludwig von Gerlach und August Tholuck zunächst an. Doch bald entfremdeten sich die Vertreter der Erweckungsbewegung. G. war im Ministerium mit Kirchenangelegenheiten im weiteren Sinne befaßt. Diese Zuständigkeit betraf Fragen der separierten Lutheraner in Schlesien, deren Duldungspatent G. entwarf, ebenso wie Fragen im Konflikt um das Eherecht und die Ermöglichung einer durchgehend eröffneten Ziviltrauung. Mit der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. 1840 begann eine Phase neoorthodoxen Luthertums im Kirchenregiment, die insbesondere für den rationalistischen Flügel der evangelischen Theologie an der Universität Halle-Wittenberg konfliktreich wurde. G. rückte 1845 in den Staatsrat ein und wurde als einer der ersten selbständigen Präsidenten in die vakante Leitungsstelle des Konsistoriums der Kirchenprovinz Sachsen nach Magdeburg berufen. Diese Personalentscheidung entsprach einer alten Forderung des sich bildenden innerkirchlichen Kirchenregimentes ebenso wie dem Kirchenideal des Monarchen. Er sah in der “Diözese” Magdeburg eine Reorganisation des ottonischen Erzbistums in einer episkopalen Kirche mit einem erneuerten Diakonat. In der 1845 gesetzlich vorbehaltenen Einzelfallregelung der Loslösung der Konsistoriumsleitung vom Amt des Oberpräsidenten lag aber zugleich der Zweck, G. solle einen Ausgleich zwischen den rationalen, orthodoxen und liberalen Strömungen gegen die Dissidenten der “Protestantischen Freunde” um Leberecht Uhlich herbeiführen. In diesen Auseinandersetzungen, in denen G. auch um eine Reaktivierung der nicht überall in Geltung stehenden Konkordienformel (Kloster Berge bei Magdeburg 1577 – in einem letzten größeren Werk G.s 1858 “nach ihrer Geschichte, Lehre und kirchlichen Bedeutung” behandelt) kämpfte, kam es zu erbitterten Auseinandersetzungen. Hinsichtlich der Methodik herrschten zwischen den weltlichen und kirchlichen Vertretern des Provinzialkirchenregimentes sehr unterschiedliche Vorstellungen. Der Streit eskalierte in den Ereignissen des Vormärz, in denen G. und der ebenso verhaßte Polizeidirektor Ludwig von Kamptz offen bedroht wurden. Als zudem die örtlichen Obrigkeiten dazu neigten, die Freie Evangelische Gemeinde in Magdeburg um deren Prediger Uhlich anzuerkennen, brach der Dissens offen aus. Mit Patent vom 13.01.1848 erhielt die Freie Gemeinde ihre Anerkennung als einzige der neugebildeten Gemeinden. Durch Kabinettsordre vom 12.03.1848 wies der Landesherr auf Antrag des Oberbürgermeisters August Wilhelm Francke dieser Gemeinde vorübergehend die Wallonerkirche zum Mitgebrauch und nach entsprechender Herrichtung die St. Sebastianskirche zu. An dieser Entscheidung war G. nicht beteiligt und reichte am 13. März die Demission ein, die ihm am 19. des Monats auch umgehend gewährt wurde. 1849 wandte sich G. nach Berlin, von wo er Kontakte zum Pastoral-Verein für die Provinz Sachsen und zu der Kirchlichen Monatsschrift hielt. Damit blieb er dem lutherischen Konfessionalismus und einem christlich-obrigkeitlichen Staatsideal nach Ideen von Friedrich Julius Stahl verbunden. Er lebte danach überwiegend zurückgezogen und war trotz seiner juristisch-literarischen Vermittlungswerke bald vergessen.
Werke: Chronik der Stadt Langensalza (3 Bde), 1818–1842; Zerstreute Blätter aus den Hand- und Hülfsacten eines Juristen (4 Bde), 1832–1842; Der Eid nach seinem Prinzipe, Begriffe und Gebrauche. Theologisch-juristische Studien, 1837; Erinnerungen bei der dreihundertjährigen Reformations-Jubelfeier in der Stadt Langensalza zum Pfingstfeste des Jahres 1839 – Ein Sendschreiben aus der Ferne in die Heimath, 1839.
Literatur: NDB 6, 540f.; ADB 9, 397f.; Julius Eduard Hitzig/Wilhelm David Koner, Gelehrtes Berlin im Jahre 1845, 1846, 104–106; Arndt Haubold, K. F. G. (1784–1861), 1989 (W); Martin Onnasch, K. F. G., in: Persönlichkeiten der Geschichte Sachsen-Anhalts, 1998, 190–193; Arndt Haubold, K. F. G.s Naumburger Jahre (1819–1834), in: Saale-Unstrut-Jb. 1, 1996, 28–35;
Archivalien: LHASA: insbesondere Rep. C 20 Ia Nr. 2203; C 81 I No. 8.
Hans Seehase