Schultze, Karl Leopold, Dr. theol. h.c.
geb. 11.07.1827 Crossen/Oder,
gest. 24.10.1893 Magdeburg,
evangelischer Theologe, Generalsuperintendent, Kirchenpolitiker.

S. wuchs nach dem frühen Tod der Eltern ab 1835 im Schindlerschen Waisenhaus und im Grauen Kloster in Berlin auf. Nach dem Abitur studierte er evangelische Theologie in Berlin und Halle bei August Neander und Julius Müller. Ab 1852 arbeitete er als evangelischer Pfarrer zunächst in Köthen, dann, ab 1861, in Barmen-Wupperfeld. 1864 wurde er als Konsistorialrat nach Posen berufen, wo er als Superintendent, evangelischer Pfarrer und ab 1869 als Präses der außerordentlichen Generalsynode sowie als Religionslehrer an der höheren Töchterschule und als Kreisschulinspektor tätig war. 1871 nahm S. die Berufung zum zweiten Generalsuperintendenten in Magdeburg an und versah gleichzeitig bis 1881 den Pfarrdienst im nahen Elbeu. Von 1890 bis zu seinem Ableben wirkte er, Ludwig Möller nachfolgend, als erster Generalsuperintendent und erster Domprediger in Magdeburg. S.s Verdienste lagen in seinem kirchenpolitischen Engagement. Er galt als entschiedener, aber moderater Verfechter der preußischen Kirchunion und wurde namentlich nach Magdeburg berufen, um mit den konfessionell-lutherischen Kräften in der Provinz Sachsen einen Ausgleich zu finden. Hier ging er sehr differenziert vor und wurde bald zu einem geschätzten Gesprächspartner. Als der von Otto von Bismarck forcierte Kulturkampf mit seinen auch aus protestantischer Sicht unpopulären Gesetzen, wie dem Kanzelparagraphen (1871), den Maigesetzen (1873) und dem Zivilstandsgesetz (1875), ein antipreußisches Klima besonders unter den Lutheranern lancierte, unterstützte S., um den Unionsgedanken zu retten und ein Auseinanderdriften der Provinz Sachsen in Unierte und Lutheraner zu verhindern, gemeinsam mit Rudolf Kögel und Adalbert Falk die Positive Union. Damit begab er sich dennoch in ungewollte Opposition zu Willibald Beyschlags preußischer Mittelpartei, aber auch zum liberalen Protestantenverein, die hinter der Positiven Union als preußische Hofpredigerpartei nur Handlanger des preußischen Staates erblickten. Demgegenüber betonte S. immer wieder den Einheitsgedanken der Union. Weiterhin setzte sich S. für Werke der Inneren Mission ein: In Gernrode entstand das erste christliche Hospiz Nordeutschlands, durch Johannes Hesekiel gelang zum ersten Mal die Angliederung der Inneren Mission an das synodale Leben. Mit besonderem Engagement setzte sich S. für den Aufbau der Magdalenenarbeit (Prester bei Magdeburg, Wolmirstedt) und der Evangelischen Stadtmission Magdeburg (1884 gegründet) ein, die in seinem Todesjahr über neun hauptamtliche Mitarbeiter verfügte.

Werke: Rückblicke auf den Fall Werner, 1881; Katechetische Bausteine zum Religionsunterricht in Schule und Kirche, 1886, 111908; Kirchliche Bausteine. Zeugnisse von Licht und Recht der evangelischen Kirche. Aus nachgelassenen Reden und Abh., 1895, 21908.

Literatur: ADB 54, 242–256; Mitteldt Leb 4, 366–376 (*B); RE 24, 31913, 201; Jahresberichte des Stadtvereins für Innere Mission, 1884 ff.; Zum Gedächtnis an D. L. S. Erinnerungen an seinen Heimgang und Reden an seinem Sarge, 1893; Wilhelm Baur, Generalsuperintendent L. S., 1908; Gustav Hartmann, Der Stadtverein für Innere Mission Magdeburg 1884–1909, 1909.

Matthias Neugebauer

letzte Änderung: 01.03.2005