Münze, Johann (Johannes)
geb. 26.03.1823 Köln,
gest. 22.05.1868 Magdeburg,
Damenschneider, Arbeiterfunktionär.

M. gehörte zu den bedeutendsten Arbeiterfunktionären der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Magdeburg, dessen Wirken die organisatorische und inhaltliche Entwicklung der örtlichen Arbeiterbewegung entscheidend mitprägte. Im Juni 1855 wurde M. in die „Liste der Schutzverwandten“ der Altstadt von Magdeburg eingetragen. Er erhielt dadurch kein Bürgerrecht, jedoch ein Wohnrecht und eine Gewerbebefugnis. M. wohnte zunächst in der damaligen Großen Junkerstraße 18 und ab 1856 in der Dreienbrezelstraße 9a, die beide südlich des heutigen Alten Marktes lagen. 1863 ergriff er gemeinsam mit Julius Bremer die Initiative zur Gründung eines Arbeiter-Bildungs-Vereins in Magdeburg, um ihn als Plattform für die Verbreitung der Ideen des Bundes der Kommunisten (1848-1852) unter den Arbeitern und Handwerkern der Elbestadt zu nutzen. Vorsitzende des Vereins wurden jedoch die Demokraten Max Hirsch und Leberecht Uhlich, die die Funktion des Vereins weitgehend auf die Vermittlung von Allgemeinbildung und beruflichen Kenntnissen beschränken wollten. Sie unterbanden daher rigoros die Propagierung marxistischen Gedankenguts insbesondere durch Julius Bremer. So schwand der Einfluß von M. und Bremer auf den Verein zusehends. Am 15. Oktober 1864 gründete M. deshalb die Magdeburger Gemeinde des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins und wurde zugleich ihr Vorsteher. Nach den Vorstellungen des Gründers Ferdinand Lassalle (1825-1864) stellte der Verein eine vom Bürgertum unabhängige Arbeiterorganisation dar, die mit Hilfe des Staates, von Genossenschaften sowie des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts auf friedlichem und legalem Wege größere Rechte für die Arbeiter erwirken sollte. M. lehnte zwar einen Großteil dieser Ziele ab; die Vereinigung schien ihm aber offenbar als unabhängige Arbeiterorganisation besser für die Umsetzung der eigenen Absichten geeignet, als andere vom liberalen Bürgertum dominierte Organisationen. Der Verein wurde jedoch schon im Mai 1865 laut Archivalien des LHASA „vorläufig polizeilich geschlossen“ und gegen M. eine Untersuchung wegen Verstoßes gegen das preußische Vereinsgesetz vom 11. März 1850 eingeleitet. Diese Maßnahme wurde durch Beschluß des Magdeburger Stadt- und Kreisgerichts vom 11. August 1865 endgültig bestätigt und M. zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Trotzdem setzten danach Polizei und Justiz das Verfahren gegen ihn mit der obigen Beschuldigung fort. Im März 1866 trat M. der von Karl Marx und Friedrich Engels ins Leben gerufenen I. Internationale (1864-1876) bei. Im gleichen Jahr etablierte er deren Magdeburger Sektion, eine der ersten illegalen und zugleich aktivsten ihrer Art in Deutschland, und wurde ihr Vorsteher. Sie bestand nach M.s Tod unter der Leitung Julius Bremers noch bis 1872. M.s rückhaltloses Eintreten für die Erhaltung des Friedens hatte für ihn in seinen letzten Lebensjahren einen hohen politischen Stellenwert. So geißelte er in den Jahren 1866 und 1867 öffentlich den Einsatz des Krieges als Mittel der Gewalt nach innen und außen. 1867 wurde allerdings ein Resolutionsentwurf M.s der u.a. die preußische Militärpolitik verurteilte, auf einer Versammlung des liberalen Bürgervereins in Magdeburg zu Fall gebracht. Er starb mit nur 45 Jahren „nach langem Leiden“, wie aus der Todesanzeige der Familie hervorgeht. In einem Nachruf der Genfer deutschsprachigen Monatsschrift der I. Internationale Der Vorbote vom Juni 1868 wird M.s große Popularität in deutschen Arbeiterkreisen gewürdigt.

Literatur: Rolf Dlubek/Ursula Herrmann, Die Magdeburger Sektion der I. Internationale und der Kampf um die Schaffung einer revolutionären Massenpartei der deutschen Arbeiterbewegung, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, (Sonderheft) 1962, 189ff.; Todesanzeige, in: Magdeburgische Zeitung vom 23.05.1868; Hans Bursian, Die Magdeburger Arbeiterbewegung 1863-1878, ihre Organisation und Tätigkeit, 1968; ders., Über den Einfluß des „Kapitals“ von Karl Marx auf die Magdeburger Arbeiterbewegung (1869-1871) – Forschungsprobleme und Ergebnisse, in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 1968, H. 1, 117ff.; Quellensammlung zur Geschichte der Arbeiterbewegung im Bezirk Magdeburg, Tl. 1, 1969, 21-24; Helmut Asmus, Geschichte der Stadt Magdeburg, 1975, 181-186; Ingrun Drechsler, Die Magdeburger Sozialdemokratie vor dem I. Weltkrieg, 1995, 24f.

Archivalien: Stadtarchiv Magdeburg: Rep. 13A V 17, 747; LHASA: Rep. C 28 Ia Nr. 845 Bd. 1, 147f.; LHASA: Rep. C 29 Tit. IV n 2 Nr. 1 Bd. 2, 20f. u.ö.

Wolfgang Hassel

 letzte Änderung: 01.03.2005