Hirsch, Max, Dr. phil.
geb. 30.12.1832 Halberstadt,
gest. 26.06.1905 Bad Homburg,
Verlagsbuchhändler, Mitbegründer der Gewerkvereine,
Sozialpolitiker, Schriftsteller.

Der Sohn eines Handschuhmachers in Halberstadt und Neffe des bekannten jüdischen Publizisten Ludwig Philippson hat nach dem Besuch des Magdeburger Domgymnasiums in Tübingen, Heidelberg und Berlin Volkswirtschaftslehre studiert und auf diesem Gebiet auch promoviert. Aus gesundheitlichen Gründen bereiste er Frankreich und Nordafrika und publizierte einige Schriften zu seinen gesammelten Eindrücken. Nach der Rückkehr begründete er in Berlin das politische Wochenblatt Der Fortschritt. 1863 ließ sich H. in Magdeburg als Kaufmann und Verlagsbuchhändler nieder. Hier kam er in Kontakt mit liberalen Sozialvorstellungen, wie sie vor allem Leberecht Uhlich vertrat, und mit der sich bildenden demokratischen Vereinsbewegung. Ab 1863 stand H. mit Uhlich zusammen an der Spitze des Magdeburger Arbeiterbildungsvereins. Im gleichen Jahr war er Mitbegründer des Verbandes deutscher Arbeiterbildungsvereine und 1864 bereits Mitglied seines ständigen Ausschusses. Er gehörte der liberalen Fortschrittspartei an, die in Magdeburg eine erhebliche Anhängerschaft besaß, und trat publizistisch für deren Ziele ein. 1867 übersiedelte H. nach Berlin. Er hatte in England das dortige Genossenschaftswesen studiert und gründete nach dieser Anregung 1868 zusammen mit Franz Duncker und Hermann Schulze-Delitzsch Gewerkvereine (Hirsch-Dunckersche Gewerkvereine ab 1869). Die in Konkurrenz zu den sozialistischen Gewerkschaften stehenden liberalen Gewerkvereine hatten in Berlin und auch in Magdeburg und Umgebung bzw. in der Provinz Sachsen und in Anhalt teilweise beträchtlichen Einfluß. Die Grundidee der Gewerkvereine war nach dem liberalen Sozialkonzept die Hilfe zur Selbsthilfe und stand im Gegensatz zu sozialistischen Auffassungen wie auch zur staatlichen Sozialpolitik. Der rastlos tätige H. war neben seiner Tätigkeit für die Gewerkvereine auch Mitbegründer und Vorstandsmitglied verschiedener Vereine, die sich mit Volksbildung und Sozialpolitik befaßten. Aus diesen Aktivitäten ragte seine organisatorische Geschäftigkeit wie auch seine Lehrtätigkeit an der von ihm maßgeblich mitbegründeten “Volksuniversität”, der Humboldt-Akademie, heraus. Von Bedeutung war auch sein Wirken in der deutschen Gruppe der Interparlamentarischen Friedenskonferenz und als Vorsitzender der Deutschen Friedensgesellschaft (1898–1900). Von 1869 bis 1893 war H. Mitglied des Reichstages, zunächst für die Fortschrittspartei und später für die Freisinnigen-Partei.

Werke: Die hauptsächlichen Streitfragen der Arbeiterbewegung, 1886; Die Arbeiterfrage und die deutschen Gewerkvereine. Fs. zum 25jährigen Jubiläum der Deutscher Gewerkvereine (Hirsch-Duncker), 1893; Volkshochschulen. Ihre Ziele, Organisation, Entwicklung, Propaganda, 1901.

Literatur: NDB 9, 205f.; Wer ist’s?, 1905 (W); Salomon Wininger, Große jüdische National-Biographien 3, 1928, 115f. (W); Encyclopaedia Judaica, Das Judentum in Geschichte und Gegenwart 8, 1931; Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte, Bd. 1, 21995, Sp. 1173.

Mathias Tullner