Richter, Karl Friedrich Wilhelm Otto
geb. 30.11.1872 Querfurt,
gest. 08.04.1927 Magdeburg,
Maurerpolier, Bauunternehmer, Vereinsgeschäftsführer.

1998–99 rekonstruierte eine Wohnungsbaugenossenschaft mit rund 100jähriger Tradition die Fassadenbemalung in der Sudenburger Otto-Richter-Straße. Die 1920/21 vom jungen Architekten Carl Krayl ausgeführte Bemalung galt als Höhepunkt einer ersten erfolgreichen Auflehnung gegen Hinterhof- und Industriewohnungsbau, die der renommierte, zu dieser Zeit in Magdeburg tätige Stadtbaurat Bruno Taut als “besonders bemerkenswert” bezeichnete. R., der Förderer und Initiator dieses Siedlungsgebietes, erlernte nach dem Schulbesuch 1887–1890 das Maurerhandwerk im Magdeburger Baugeschäft Friedrich Härtel und besuchte während seiner Lehrjahre die Magdeburger Kunst- und Handwerkerschule. Bevor er sich 1898 endgültig in Magdeburg niederließ, verbrachte der junge Maurer dreieinhalb Jahre im Ausland und war anschließend als Maurerpolier in verschiedenen Baugeschäften tätig. Der Sozialdemokrat widmete fast 30 Jahre seines Lebens dem sozialen Wohnungswesens in Magdeburg. 1927 verstarb er nach längerer schwerer Krankheit in seiner Wahlheimat. Besondere Verdienst erwarb sich R. durch die engagierte Tätigkeit in der Baugenossenschaftsbewegung. 1900 war er Mitbegründer, Vorsitzender und Kassierer des Mieter-, Bau- und Sparvereins (MBSV), der zweiten Wohnungsbaugenossenschaft dieser Art in der Elbestadt. Die mit 47 Gründungsmitgliedern gestartete Vereinigung wies bereits zum Jahresende 200 Eigner aus. Unter R.s Ägide wuchs, durch seine vorausschauende Planungs- und Verwaltungsarbeit, der MBSV bis 1921 zur größten Baugenossenschaft Magdeburgs heran, die bis 1924 793 Wohnungen fertiggestellt und damit für ca. 1.000 Genossenschaftsmitglieder ein neues Zuhause geschaffen hatte. 1904 wurde unter der maßgeblichen Beteiligung R.s in der Westerhüser Straße der Grundstein für die erste Magdeburger Genossenschaftssiedlung gelegt. Die Mietshausanlagen mit 442 Wohnungen und grüner Einfassung durch Kleingärten und Wiesen, galten trotz der Einschränkungen in der Wohnungsgröße und Abstrichen zur städtebaulichen Gestaltung als Vorreiter für einen neuen Wohnungstyp im Reformwohnungsbau. Vier der insgesamt sechs Siedlungsprojekte des MBSV erfuhren ihre Planungen, Grundsteinlegungen und teilweise Fertigstellungen unter der Leitung von R. Dieser avancierte ab 1908 zu einem der besoldeten Vorstandsmitglieder, ab 1912 zum Schriftleiter des in diesem Jahr aus der Taufe gehobenen Mitteilungsblattes der Genossenschaft und diente dem MBSV als Vorsitzender bis 1922. Danach führte er die Geschäfte des neugegründeten Bauhüttenbetriebsverbandes Sachsen-Anhalt GmbH und trat ab 1924 in die Geschäftsleitung der Bauhütte Magdeburg GmbH ein. Ab 1919 als gewähltes Mitglied der Stadtverordnetenversammlung und 1923 als unbesoldetes Magistratsmitglied stellte R. u. a. durch die Mitwirkung in der Baudeputation, im Siedlungsausschuß, im Ausschuß zur Errichtung von Kleinwohnungen sowie im Ausschuß zur Vorbereitung des Baus der Stadthalle seine reichen Erfahrungen auf dem Gebiet des Bauwesens in den Dienst der Stadt. Damit unterstützte er die neue, soziale Bau- und Wohnungspolitik des Oberbürgermeisters Hermann Beims. Darüber hinaus wirkte der ideenreiche R. als Mitarbeiter im Aufsichtsrat des Neustädter Konsumvereins, dessen Vorstandsvorsitz er 1914 übernahm. Die Stadt gedachte seiner Leistungen 1927 mit der Umbenennung der Westerhüser in Otto-Richter-Straße.

Literatur: MBSV-Geschäftsberichte 1904ff.; Magdeburger Amtsblatt, 1927, 266; Die gemeinnützige Bautätigkeit in Magdeburg, Jahresbericht 1927, 7–9 (StadtA Magdeburg: 140/117a); Marta Doehler/Iris Reuther, Magdeburg – die Stadt des Neuen Bauwillens. Zur Siedungsentwicklung in der Weimarer Republik, 1995; Renate Amann/Barbara von Neumann-Cosel, Soziale Bauherren und architektonische Vielfalt: Magdeburger Wohnungsbaugenossenschaften im Wandel, 1996 (B); Magdeburg. Architektur und Städtebau, hg. vom Stadtplanungsamt Magdeburg, 2001, 209.

Bildquelle: *Wohnungsbaugenossenschaft von 1893 e.V. Magdeburg: Relief.

Heike Kriewald