Seitz, Robert Karl Wilhelm
geb. 28.09.1891 Magdeburg,
gest. 22.04.1938 Lörrach/Baden,
Angestellter, Schriftsteller.

S. wuchs in Magdeburg und im Harz auf, trat nach seiner Schulzeit 1906 eine kaufmännische Lehre in Magdeburg an und arbeitete ab 1909 als Angestellter (Expedient) in der Magdeburger Zichorienkaffee- und Schokoladenfirma Bethge & Jordan. Der literarisch Interessierte schrieb frühzeitig nebenher Gedichte. Durch seinen Aufruf zur Sammlung Gleichgesinnter in der Magdeburger Lokalpresse gab er 1919 den ersten Anstoß zur Gründung der spätexpressionistischen Künstlervereinigung Die Kugel um Franz Jan Bartels, Max Dungert und Bruno Beye, der zahlreiche weitere Literaten, Musiker und bildende Künstler beitraten. Die Kugel-Mitglieder veranstalteten in der Folge Ausstellungen, Matineen, literarische und musikalische Abende und luden bekannte Künstler nach Magdeburg ein, u. a. Else Lasker-Schüler, Theodor Däubler und Johannes R. Becher. 1921 trat S. mit seinem literarischen Erstling, dem Gedichtband “Das Herz in den Augen”, hervor, dessen Themenwahl der expressionistischen Lyrik verpflichtet war, sich jedoch in seinem besinnlichen, zuweilen zarten Sprachduktus deutlich von dieser abhob. 1924 wurde S. nach Berlin versetzt, arbeitete dort wieder als kaufmännischer Angestellter, widmete sich jetzt aber intensiver der Schriftstellerei und verfaßte Gedichte, die zunächst in der Presse, dann in Buchform veröffentlicht wurden: “Kashata” (1926) und “Tiere und eine Stadt” (1930). 1928 gab S. seine Stellung auf und betätigte sich als freier Schriftsteller in Berlin. Er verfaßte zahlreiche kleine Erzählungen und Geschichten, Reiseschilderungen, Feuilletons und Plaudereien (zumeist Geldarbeiten, für Zeitungen und Zeitschriften), richtete Hörspiele, Opern und Operetten für den Rundfunk ein und schrieb Film-Exposés. Seit 1928 arbeitete S. mit namhaften Komponisten zusammen, zunächst mit Paul Hindemith, später auch mit Werner Egk und Paul Dessau, für die er bis 1931 Texte für Kinder- und Schulopern sowie Kinderkantaten und Spiele lieferte. Als Zäsur seines Schaffens ist die gemeinsam mit Heinz Zucker herausgegebene, vielbeachtete Lyrik-Anthologie “Um uns die Stadt” (1931) anzusehen, in der 93 zumeist unbekannte Autoren auf einer “Tagesreise durch die Großstadt” dem ambivalenten Verhältnis von städtischem Raum und Individuum nachspürten. S. selbst unternahm seit Anfang der 1930er Jahre ausgedehnte Reisen in ländliche Gegenden, hielt sich längere Zeit in Ostpreußen, Pommern und Danzig auf, lebte zwei Sommer lang in Fischerdörfern an der baltischen Küste und wandte sich dem Schreiben von Erzählungen und Romanen zu, in denen er in schlichter Sprache das Leben einfacher Menschen, deren Schicksale und Konflikte gestaltete. Mit dem Novellenband “Bauernland” (1932) gelang ihm ein erster beachtlicher Erfolg, dem ab 1934 eine thematisch verwandte, breit angelegte, sich in den Zeitgeschmack fügende Romanproduktion folgte. In der Problematisierung einer technisierten Zivilisation, der Auffassung einer idealisierten Natur und der Wahl der Figuren und Schicksale den literarischen Vorbildern Selma Lagerlöfs und Knut Hamsuns verpflichtet, erlangte vor allem das “Börshooper Buch” (1934), für das S. 1935 einen Akademie-Preis erhielt, größere Bekanntheit und weite Verbreitung. S. starb 46jährig auf einer vom Zsolnay-Verlag veranlaßten Reise nach Italien, wo er seine angegriffene Gesundheit wiederherstellen und Studien für einen Roman betreiben wollte.

Werke: s. o.; Der Baumeister, in: Bruno Taut (Hg.), Frühlicht, H. 2, 1921/22, 53f.; Die Häuser im Kolk. Roman, 1935; Der Leuchtturm Thorde. Roman, 1935; Liebe, alt wie die Welt. Roman, 1936; Der Ast, auf dem die Engel sitzen. Roman, 1937; Wenn die Lampe herunterbrennt. Roman, 1938.

Nachlaß: DLA Marbach.

Literatur: KLK Nekrolog 1936–1970, 1973, 628; Otto Karsten, Der Erzähler R. S., in: Die Lit. 41, 1938; Sylvia Pielorz, R. S. Leben und Werk, Diplom-Arbeit Magdeburg Ms. 1985; Heinz Kruschel, “Die Schwalben tragen die Sonne auf ihrem Rücken.” In memoriam R. S., in: Almanach der Literarischen Gesellschaft Magdeburg, 2000, 49–56 (B).

Bildquelle: *Archiv Literaturhaus Magdeburg.

Guido Heinrich