Seliger, Ernst
geb. 06.08.1904 Oberhermsdorf,
gest. 25.12.1985 Berlin,
Drogist, stellvertretender Verlagsdirektor,
Vollzeitprediger der Zeugen Jehovas.

Nach dem Volksschulbesuch begann S. eine Drogistenlehre, die er 1922 abschloß. Im selben Jahr kam er in Langwaltersdorf durch den Besuch einer frühen Version des “Schöpfungsdramas” (Wilhelm Schumann) mit den Lehren der Bibelforscher (Jehovas Zeugen, 1931) in Berührung. Ab 1924, kurz nach seiner Taufe, beteiligte er sich hauptamtlich als Kolporteur an der Verbreitung ihrer biblischen Veröffentlichungen, die von der Wachtturm-Gesellschaft in Magdeburg (Paul Balzereit) gedruckt wurden. Als die Gesellschaft ihre Gebäude 1925 erweiterte (Bau des “Harfen-Saals”), lud sie S. zur ständigen Mitarbeit nach Magdeburg ein. Während des nationalsozialistischen Verbots (1933–1945) erhielt er eine sechsmonatige Gefängnisstrafe, schließlich wurde er am 20.07.1937 in das Konzentrationslager Sachsenhausen verbracht, wo er die geistige Leitung und Ermunterung seiner Glaubensbrüder übernahm. Er überlebte im April 1945 den berüchtigten “Todesmarsch” der Konzentrationslager-Häftlinge nach Schwerin, kehrte nach der Befreiung nach Magdeburg zurück und förderte den Wiederaufbau der Gemeinden der Zeugen Jehovas. S. war ab August 1945 Stellvertreter von Erich Frost und leitete die Dienstabteilung (Verwaltung der Religionsgemeinschaft) im “Bibelhaus Magdeburg”. Nach der Heirat mit der Kontoristin Hildegard Mesch (geb. 23.08.1898 Leipzig, gest. 20.03.1991 Berlin; Bibelforscherin, 1923; Opfer des Nationalsozialismus: Konzentrationslager Lichtenburg, Ravensbrück) diente S. als Kreisaufseher (bzw. Diener für die Brüder, früher Pilgerbruder), indem er die Gemeinden der Zeugen Jehovas in der DDR besuchte. Das Ehepaar wurde im November 1950 verhaftet, S. im Juli 1951 zu 15 Jahren Zuchthaus (Waldheim, Brandenburg) und seine Frau zu zehn Jahren (Waldheim, Halle) verurteilt. Nach ihrer Entlassung aus der Haft (1964 bzw. 1961) setzten beide ihre religiöse Tätigkeit als hauptamtliche Vollzeitprediger, nun in West-Berlin, bis zu ihrem Tod fort. Sie verbrachten wegen ihrer religiösen Überzeugung während der Zeit des Dritten Reichs und in der DDR zusammen mehr als 40 Jahre in Gefängnissen und Konzentrationslagern.

Werke: Standhaft trotz Verfolgung durch die Geistlichkeit, die Nationalsozialisten und die Kommunisten, in: Der Wachtturm vom 15.10.1974, 615ff.

Literatur: Jb. der Zeugen Jehovas 1974, 189, 202f., 213.

Bildquelle: Geschichtsarchiv der Zeugen Jehovas, Wachtturm-Gesellschaft Selters/Taunus; Dauerausstellung zur Geschichte der Zeugen Jehovas in der SBZ/DDR, Forschungs- und Gedenkstätte Normannenstraße, Berlin.

Johannes Wrobel

letzte Änderung: 01.03.2005