Schumann, Wilhelm
Emil |
Nach dem Besuch der Volksschule wurde der graphisch talentierte S. mit 21 Jahren der damals jüngste Malermeister Deutschlands. Er schlug ein Stipendium der Meisterschule des Deutschen Handwerks Magdeburg aus, um als selbständiger Restaurator von Wand- und Deckenmalereien sowie Gemälden – nach 1918 als Reklamemaler von Fassaden – seine Fähigkeiten als Kunstmaler und Graphiker selbständig zu vervollkommnen. Ab 1919 bei den “Ernsten Bibelforschern” (Jehovas Zeugen, 1931), deren Taufe er sich 1922 unterzog, arbeitete er bald ehrenamtlich, ab 1924 als Leiter, für das Illustrationsbüro der Wachtturm-Gesellschaft (Zweigbüro der Watch Tower Society, Brooklyn, New York), dem Verlag der Religionsgemeinschaft (Internationale Bibelforscher-Vereinigung, IBV). Die Wachtturm-Gesellschaft gab ab 01.04.1923 in Barmen eine selbständige Ausgabe der Zeitschrift Das Goldene Zeitalter oder GZ (englische Ausgabe The Golden Age, ab 1919 Brooklyn, N. Y.; deutsche Ausgabe in der Schweiz, ab 01.10.1922 Bern) heraus. Nach dem 1923 erfolgten Umzug nach Magdeburg begann die IBV (Sitz in Elberfeld 1902–1907; Barmen 1908–1923; Magdeburg 1923–1950) im Juni 1923 das Goldene Zeitalter in einer Auflage von 35.000 Exemplaren selbst zu drucken. Ab 01.02.1926 erschien die Zeitschrift mit eigenen Titelseiten, die S. gestaltete. Er kolorierte zudem die Lichtbilder für das berühmte “Schöpfungsdrama”, mit dem Prediger wie Erich Frost reisten. Von 1928 an unterstand S. als Leiter der Reproduktions- und chemographischen Abteilung, die für alle Bilder in den Zeitschriften, Büchern und Broschüren technisch zuständig war, direkt dem Hauptbüro in Brooklyn, während Paul Balzereit als Verlagsdirektor arbeitete. Die moderne Druckerei in Magdeburg, die neben Deutschland Nord- und Osteuropa mit IBV-Literatur versorgte, produzierte täglich etwa 6.000 bis 10.000 Bücher (Schließung durch die Nationalsozialisten am 28.03.1933). Die gelungenen Illustrationen des GZ trugen zur Beliebtheit der Zeitschrift in Deutschland bei. Gegner maßen den Einfluß der Zeugen Jehovas an der Auflagestärke der Zeitschrift (1930: 345.000 Exemplare, kurz vor dem nationalsozialistischen Verbot, 24.06.1933: 430.000 Exemplare). 1933 und 1934 war S. für die Watch Tower Society in Bern (Schweiz) tätig, wo er das unvollständig aus Deutschland importierte “Schöpfungsdrama” komplettierte und sich gleichzeitig durch Schweizer Ärzte in der Chiropraktik (Handheilverfahren durch Wirbeladjustierung) ausbilden ließ. Nach der Rückkehr folgte 1935 seine Zulassung als Chiropraktor in Magdeburg. S., der sich durch Hinwendung zum Patienten auszeichnete, entwickelte erfolgreiche chiropraktische Adjustierungsgriffe und gehörte bald zu den bekanntesten Vertretern der Chiropraktik Deutschlands. 1938 wurde er wegen “illegaler Betätigung” für Jehovas Zeugen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Am 21.01.1944 versorgte S. unter Lebensgefahr die Verwundeten des Luftangriffs auf Magdeburg. 1943 und 1944 stellte S. zusammen mit seinem Sohn Gerhard (geb. 29.05.1929 Magdeburg) und anderen heimlich Wachtturm-Schriften her, die im Bezirk Magdeburg, Berlin und in Konzentrationslagern Verbreitung fanden. Er wurde zusammen mit seinem Vertrauten Johannes Schindler (geb. 07.04.1901 Dresden, gest. 23.12.1986 Frankfurt/Main) am 17.10.1944 zum Tode verurteilt, doch beide entgingen dem Fallbeil in Brandenburg. Sohn Gerhard erhielt eine Zuchthausstrafe. 1945/46 war S.s Chiropraxis in der Otto-von-Guericke-Straße 50 in Magdeburg behelfsmäßiges Büro der Wachtturm-Gesellschaft. Das NKWD setzte S. im Frühjahr 1950 stark unter Druck. Kurz nach dem DDR- Verbot der Zeugen Jehovas am 30.08.1950 brachte sich S. in den Westteil Berlins in Sicherheit. Er setzte bis zu seinem Tod die Tätigkeit als Kunstmaler und Chiropraktor in Wiesbaden fort.
Werke: Titelseiten (Auswahl): Erlösung (GZ vom 01.01.1929); Weltbeglücker (GZ vom 15.01.1929), Winters Leid und Lust (GZ vom 01.02.1929); Stuckwandbilder am Königreichssaal der Zeugen Jehovas, Wiesbaden, Hellmundstraße 33.
Literatur: Jb. der Zeugen Jehovas 1974, 96; Detlef Garbe, Zwischen Widerstand und Martyrium. Die Zeugen Jehovas im “Dritten Reich”, 41999, 341f.
Bildquelle: *Geschichtsarchiv der Zeugen Jehovas, Wachtturm-Ges. Selters/Taunus.
Johannes Wrobel