Friesen, Karl Friedrich |
F.s Vater war Feldwebel, später Finanzbuchhalter, und verstarb, als F. neun Jahre alt war. In den 1790er Jahren besuchte F. die Altstädter Bürgerschule in Magdeburg. Sein Lehrer, der Pfarrer und Konsistorialrat Georg Samuel Albert Mellin, prägte F.s geistig-weltanschauliche Grundhaltung im Sinne der Ethik Immanuel Kants. 1801–02 besuchte F. die neugegründete Bauakademie in Berlin, belegte die Fächer Landvermessung, Wasserbauwerke und Bauhandwerk. Sein Streben nach universellem Wissen drängte ihn jedoch stark zur Philosophie und zur Erziehungslehre. 1806–11 war F. als Zeichner der Landkarten für Alexander von Humboldts “Mexikanischen Atlas” tätig. Er erhielt von Wilhelm und Alexander von Humboldt viele geistige Impulse. F. hörte an der Berliner Universität 1807/08 Johann Gottlieb Fichtes berühmte “Reden an die deutsche Nation” und war begeistert von dem Kerngedanken der “Nationalerziehung” – der deutsche Staat dürfe nicht auf Zwang, sondern müsse auf der Gesinnung seiner Bürger beruhen, die nur durch Erziehung des ganzen Volkes verbesserbar sei – . 1808 trat F. als Lehrer in die Erziehungsanstalt des Pestalozzianhängers Dr. Ernst Plamann in Berlin ein. Dort lernte er den Turnvater Friedrich Ludwig Jahn kennen. Noch 1808 gründete F. in Berlin eine Fechtbodengesellschaft, in der Offiziere, bürgerliche Intellektuelle, Kaufleute und andere Patrioten Hieb- und Stoßfechten übten und politische Diskussionen zur Rettung des seit 1806 von Napoleon besetzten Vaterlandes führten. 1808 war F. auch als Kundschafter der militärischen Gruppe des Ferdinand von Schill tätig und spähte Magdeburg aus. Im Bestreben um nationale Erneuerung schloß er Freundschaft mit zahlreichen Patrioten wie Wilhelm Harnisch und Friedrich Fröbel und gründete mit Harnisch, Jahn u. a. 1810 den Deutschen Bund. F. war der eigentliche Initiator und Stifter des Geheimbundes mit dem Ziel der Vorbereitung einer bewaffneten Erhebung und inneren sittlichen Erneuerung des ganzen Volkes. Auf dem 1811 von Jahn auf der Berliner Hasenheide eröffneten ersten deutschen Turnplatz gehörte F. zu den aktiven Vorturnern und wirkte als echter Jugenderzieher mit großer Ausstrahlungskraft. In den Wintermonaten leitete er in Berlin den Turnkünstlerverein, in dem viele neue Übungen, besonders an Reck, Barren und Seitpferd, entwickelt wurden. 1811 gründete F. mit dem Studenten und späteren preußischen Generalmajor Friedrich Ludwig Palm an der Berliner Unterbaumbrücke eine der ersten deutschen Schwimmanstalten. Neben der Begründung und dem inneren Ausbau der Turnbewegung hatte F. auch großen Anteil an der zweiten nationalen und konstitutionellen Bewegung, der studentischen Burschenschaft. 1812 verfaßten F. und Jahn die Denkschrift “Ordnung und Einrichtung der deutschen Burschenschaften”, deren Gedanke einer einheitlichen deutschen Studentenorganisation sich rasch auf vielen deutschen Universitäten durchsetzte. F., der 1812 mit führenden Patrioten an der konspirativen Vorbereitung der Erhebung gegen Napoleon beteiligt war, hatte alle Truppenbewegungen zwischen Magdeburg und der Festung Küstrin zu erfassen und nach Prag an Karl Justus von Gruner zu melden. Staatskanzler Karl August Fürst von Hardenberg beriet vor seiner Abreise nach Breslau mit F. und Jahn, deren große Popularität bei der deutschen Studentenschaft nutzend, den Plan der Gründung einer Freischar, der besonders von Gerhard Johann David von Scharnhorst initiiert worden war. Beide gehörten selbst zu den ersten Freiwilligen im Freikorps des Majors Adolf Freiherr von Lützow. Im Februar 1813 wurde F. u. a. als Meldereiter im Hauptquartier des Zaren Alexander eingesetzt. Nach der preußischen Kriegserklärung gegen Napoleon wirkte F. aktiv als Werber und Agitator für die Freischar und war an militärischen Streifzügen durch Thüringen, Sachsen und Brandenburg beteiligt. Im Gefecht bei Gadebusch war Theodor Körner gefallen und Lützow verwundet. Nach seiner Genesung berief Lützow F. zu seinem Adjutanten. Die nach dem Tod von Scharnhorst zunehmende Isolierung der Lützowschen Freischar durch den reaktionären Adel veranlaßte F., die Denkschrift “Die Ursachen des seit längerer Zeit so häufig gewordenen Zurücktretens vom Lützowschen Freikorps” abzufassen. Am 15.03.1814, bei einem Einsatz in den Ardennen auf den jüngeren Bruder Lützows wartend, verlor F. den Anschluß an seine Schwadron, geriet in einen Hinterhalt und wurde nach der Gefangennahme durch zwei Bauern von einem Nationalgardisten im Handgemenge getötet. Die lange Zeit ergebnislose Suche nach F. konnte 1816 erst dessen Freund August von Vietinghoff beenden, der F.s Gebeine auffand, identifizierte und in einem Koffersarg verwahrte. Infolge des Wartburgfestes von 1817 und der Demagogenverfolgung von 1819 erschien jedoch der Reaktion eine Ehrung des Patrioten F. für den vaterländischen Opfertod unangemessen. So bewahrte Vietinghoff die Gebeine ein viertel Jahrhundert im Koffersarg auf. Erst 1842, als Vietinghoff im Range eines Oberstleutnant in den Ruhestand trat, machte er mit anderen patriotischen Freunden einen erneuten Versuch zu einer würdigen Bestattung F.s, dessen Gebeine Anfang 1843 neben Scharnhorst auf dem Berliner Invalidenfriedhof beigesetzt werden durften. Jahn würdigte ihn mit den Worten: “Wie Scharnhorst unter den Alten, so ist F. von der Jugend der Größte der Gebliebenen”.
Literatur: ADB 8, 88f.; Mitteldt Leb 2, 117–124 (*B); Erwin Rundnagel, F. F., ein politisches Lebensbild, 1936 (B); Norbert Heise, Die Turnbewegung und die Burschenschaften als Verfechter des Einheits- und Freiheitsgedankens in Deutschland 1811–1847, Diss. Halle 1965; Willi Schröder, Burschenturner im Kampf um Einheit und Freiheit, 1967; Norbert Heise/Wolfgang Pahncke, K. F. F. – zum 200. Geburtstag, in: Zs. für Körpererziehung 34, 1984, 371–379; Norbert Heise, K. F. F., Tl. 1–3, in: Zs. des Landessportbundes Sachsen-Anhalt, H. Mai, Juni, Juli/August 1996; Norbert Heise, K. F. F., in: Mathias Tullner (Hg.), Persönlichkeiten der Geschichte Sachsen-Anhalts, 1998, 159–163 (B).
Norbert Heise
letzte Änderung: 19.08.2004