Dulon, Christoph Joseph Rudolph
geb. 30.04.1807 Stendal,
gest. 13.04.1870 Rochester/New York (USA),
evangelischer Pfarrer.

D. war Sohn des Stendaler Postdirektors Friedrich Wilhelm D. und hugenottischer Abstammung. Er absolvierte das Gymnasium in Stendal und studierte 1827–30 evangelische Theologie in Halle. Ab 1831 war er Rektor der Stadtschule in Werben/Elbe. 1836 ordiniert, wurde D. danach Pfarrer in Flessau bei Osterburg. 1842 verließ er die unierte preußische Landeskirche und war von 1842–48 zweiter Pfarrer der Deutsch-Reformierten Gemeinde in Magdeburg. Von hier an datiert seine agitatorische Wirksamkeit. Unter Einfluß der beiden Magdeburger Führer der “Protestantischen Freunde” und Gründer der freireligiösen Gemeinde Leberecht Uhlich und Heinrich Ernst Sachse nahm D. eine als “extrem kirchlich linksliberal” bezeichnete Haltung ein. Er wandte sich gegen die Geltung der Bekenntnisschriften in der reformierten und gegen das angeblich katholische Wesen der evangelischen Kirche. Er beteiligte sich durch Wort und Schrift an den kirchenpolitischen Bewegungen um 1846 und trat 1848 in Magdeburg und Berlin durch politische Ansprachen und Reden für Preußen und das geeinte Deutschland ein. D. war seit März 1848 führend an der Herausbildung des Magdeburger demokratischen Vereinswesens beteiligt. Die Unterschiede in den religiösen Anschauungen gegenüber Uhlich und seinen Anhängern führten jedoch dazu, daß sich in Magdeburg zwei demokratische Vereine bildeten, die sich vor allem in ihrer Haltung zu den religiösen Fragen der Zeit unterschieden. Nach zunehmendem Zerwürfnis wurde D. 1848 aus der Deutsch-Reformierten Gemeinde Magdeburg entlassen. Er ging nach Bremen und wurde dort Pfarrer an der Liebfrauenkirche, später Prediger der Freien Gemeinde Bremen. Auch in Bremen trat D. an die Spitze der demokratischen Bewegung und gewann starken Einfluß in der Bremer Bürgerschaft. Er vermischte Politik und Religion, Demokratie und Revolution bedeuteten ihm wahres Christentum. D. vertrat seine republikanisch-demokratischen Auffassungen und Ideale bürgerlicher Freiheit mit großer rednerischer und schriftstellerischer Begabung und leidenschaftlicher Polemik. Dabei wurde er mehr und mehr religiöser Radikalist. Seine Schriften wurden 1851 in Preußen verboten, er selbst 1852 “wegen Irrlehren und politischer Gefährlichkeit” erneut von seinem Pfarramt suspendiert. Einer gegen ihn verhängten sechsmonatigen Gefängnisstrafe entging D. 1853 durch Ausreise in das damals englische Helgoland. Nach etwa einem Jahr emigrierte er mit seiner zahlreichen Familie in die USA und war dort bis zu seinem Tod als Rektor der deutschen Schule in Rochester tätig.

Werke: Dorfpredigten, 1842; Herr Prediger Pelemié, die reformierte Kirche hat keine Symbole. Ein Wort der Zurechtweisung, 1846; Die Geltung der Bekenntnisschriften in der reformierten Kirche. Ein Wort wider Symbolzwang auf protestantischem Grund und Boden, 1847; Vom Kampf um Völkerfreiheit. Ein Lesebuch für’s deutsche Volk, 1849/50; Der Tag ist angebrochen. Ein prophetisches Wort, 1850; Der Wecker. Ein Sonntagsblatt zur Beförderung des religiösen Lebens, Jgg. 1850–52; Das Gutachten der vier Heidelberger Theologen. Ein Beitrag zur Sittengeschichte der Gegenwart (2 Bde), 1852; Gruß und Handschlag. An meine Gemeinde in Süd und Nord, 1853; Aus Amerika über Schule, deutsche Schule, amerikanische Schule, deutsch-amerikanische Schule, 1866.

Literatur: NDB 4, 187f.; ADB 48, 160–162 (W); BBKL 1, Sp. 1415f.; RGG 2, 31958, 282; Bremische Biographien des 19. Jahrhunderts, 1912, 117f.; Ralph Meyer, Geschichte der Deutsch-Reformierten Gemeinde zu Magdeburg von den Anfängen bis auf die Gegenwart, Bd. 2, 1914, 45ff. (*B). 

Archivalien: AKPS: Rep. A, Spec. P, D 274 (PA).

Henner Dubslaff

geändert: 09.06.2004