Rubel, Nomi (eig. Senta Nomi Grosvogel-Rubel),
geb. Senta Petzon
geb. 31.01.1910 Magdeburg,
gest. 11.09.1996 New York (USA),
Schriftstellerin, Theaterleiterin, Schauspielregisseurin.

Das einzige Kind des jüdischen Kaufmannes Julius Petzon besuchte Schulen in Magdeburg und Hannover, begann 1927 die Lehre an einer höheren Berliner Handelsschule und agierte dort im Laienspielensemble der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ). Ohne Lehrabschluß volontierte R. im Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (C. V.), arbeitete bald auch im vereinseigenen Philo-Verlag und schrieb für den Vorwärts Rezensionen, Feuilletons und Berichte, nachdem  Erich Ollenhauer für die Jugend-Beilage seiner Zeitung ihre Erzählung “Der wilde Baum” angenommen hatte. Wieder in Magdeburg, publizierte die 17jährige in jüdischen Zeitschriften und in der Magdeburger Volksstimme. Veranstaltungen der SAJ brachten R. mit dem Zionismus in Verbindung, ohne daß sie dafür eine tiefere Neigung entwickelte. 1928 heiratete R. den Schönebecker Textilkaufmann Herbert Lubranschik. 1929 wurde ihr Sohn Ernst Joseph in Magdeburg geboren, bald darauf zog die Familie nach Berlin. 1932 erlebte R. die Uraufführung ihres ersten Theaterstückes “Odette. Ein Spiel für den Frieden”. Die Berliner Presse lobte die knappe, doch treffende Zeichnung der Personen, die unkonventionelle Sprache und vor allem die Tendenz des Spiels – den Aufruf zur Toleranz und zur Verständigung zwischen Deutschen und Franzosen. Die nach 1933 einsetzende Judenverfolgung zwang die Familie 1934 zur Emigration nach Palästina. Dem Exil war ihre Ehe nicht gewachsen, die im Jahr vor der Geburt des zweiten Sohnes Arye (1935) aufgelöst wurde. R. heiratete in Haifa Meir Rubel, einen aus Rumänien geflohenen Juden, gründete und leitete Tageskindergärten. Nebenher verfaßte sie Erzählungen und Schauspiele in deutscher Sprache. Die Stücke “Die Töchter” (1935/36) und “Der Streik” (1938) übernahm der Moadim-Bühnenverlag Tel Aviv von Margot Klausner, die der Autorin Wege ebnete zum Habimah-Theater und zu Sammy Gronemann (1875–1952). Beide trafen 1938 in Tel Aviv zusammen. Auch Max Zweig, Dov Stock (Dov Sedan), Leah Goldberg und Max Brod gehörten zu ihren Förderern. Eigene Krankheit und der lebensbedrohende Zustand des jüngsten Sohnes, das Scheitern der zweiten Ehe, der Krieg nach der Unabhängigkeitserklärung und die schwierigen sozialen Verhältnisse Israels führten 1948 zur Übersiedelung in die USA zu den Eltern, die seit 1938 in New York lebten. Weder Verlage noch Theater zeigten Interesse an der namenlosen Dramatikerin, die Probleme von Emigranten behandelte, zudem Stücke für Kinder und Erwachsene schrieb und die, wie schon in Palästina, sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen ein Heim gab. Nach der Uraufführung des Stückes “The Fight for the Forest” in New York (1949) scheint fast ein Jahrzehnt lang kein Werk für das Theater entstanden zu sein. Ende der 1950er Jahre studierte R. in New York bei Herbert Berghof Regie, gründete The Pegasus Players und ging 1961 auf Deutschland-Tournee u. a. mit der Komödie “The Lost Voice”, die sie Kurt Pinthus widmete, dem Gast einer New Yorker Voraufführung (1961). In den 1960er und 1970er Jahren brachte sie fast 30 Theaterstücke auf die Bühne, z. B. “Victoria” (1963/65) und “Remember me” (1976), die R. als ihre stärksten Arbeiten sah. “Meine Geschichten schreibt das Leben selbst. Ich muss nur seinem Plan folgen, ohne den goldenen Faden zwischen meiner Vergangenheit und der Gegenwart zu verlieren”, bekannte R. in den 1970er Jahren. Ihren (unveröffentlichten) autobiographischen Notizen (1977–79) gab sie den Titel “Mein Theater ist mein Wohnzimmer, mein Wohnzimmer ist mein Theater”. Die meisten Produktionen waren Off Off Broadway. Ihr Thema blieb die Suche nach der jüdischen Identität (Hilde Marx). R. wurde in den 1960er Jahren Mitglied der Dramatists Guild der USA und gehörte seit 1980 als einzige nicht im Lande lebende Autorin zum Verband deutschsprachiger Schriftsteller Israels. Wie in “The Hoot of the Owl” (1966) gestaltete R. immer wieder Erfahrungen, die sie selbst durchlitten hatte, thematisierte Vertreibung, Trennung, Verlust, Tod und Einsamkeit, aber vor allem auch die Suche nach Verständigung, Toleranz und Ausgleich. Ihre Dialoge und Szenen für das Theater erreichen Intensität und Überzeugungskraft. In den 1990er Jahren entstanden die beiden autobiographischen Romane “Schwarz-braun ist die Haselnuß” (1992) und “Jardena. Die Geschichte eines neuen Lebens in einem alten Land” (1996), mit denen sie nach fast 60 Jahren zu Begegnungen in ihre Geburtsstadt Magdeburg zurückkehrte. R. gehörte zu jenen Autorinnen, die ungeachtet des faschistischen Verbrechens am jüdischem Volk die Tradition der jüdisch-deutschen Kultur nie verleugnen oder aufgegeben wollten.

Werke: s. o.; Der Zirkus des fliegenden Kamels. Ein Tel Aviver Roman, 1939; Ruth, 1943; My Brother Cain, 1965; The Eternal Circle, 1975; The Generals Daughter, 1987.

Nachlaß: Deutsche Bibliothek, Deutsches Exilarchiv Frankfurt/Main; Literaturhaus Magdeburg.

Literatur: Boris Kehrmann, Dramatiker im Exil, in: John M. Spalek u. a. (Hg.), Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933, Bd. 2/2, 1989, 1169f. und Bd. 4/3, 1994, 1562–1566.

Bildquelle: *Archiv des Literaturhauses Magdeburg.

Karlheinz Kärgling