Hermann, Karl
Samuel Leberecht, Dr. phil. h. c. |
Der Sohn eines Pfarrers erwarb bis 1783 in Halberstadt eine pharmazeutische Ausbildung. Nach anschließenden Tätigkeiten in Apotheken in Braunschweig, Bremen und Zerbst übernahm H. 1792 die Apotheke in Groß Salze und führte hier umfangreiche chemische Untersuchungen durch. Auf Grund wirtschaftlicher und finanzieller Probleme wandte er sich 1794 an den König und bat um die “Überlassung der Abgänge bei der Saline zu Schönebeck”, um daraus Bittersalz, Magnesium, Salzsäure und dergleichen herzustellen, die man dann nicht mehr für teures Geld importieren müsse. Für zwei Jahre wurden ihm die Abfälle unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Das Salzdepartement entschied sich später auf den Vorschlag H.s hin, einen Betrieb aus Staatsmitteln – die Königliche Preußische chemische Fabrik – zu errichten und H. als Administrator mit zehn Prozent Beteiligung am Reingewinn einzustellen. Am 05.02.1797 wurde in zwei früheren Siedehäusern auf dem Gelände der Schönebecker Saline mit der Produktion begonnen. Erstmals erhielt man durch H.s Arbeit genaue Kenntnis über die Abgänge der Saline. In der ersten Sodafabrik Deutschlands wurden durch die enge Verbindung von Praxis und Wissenschaft neue Fabrikationsmethoden zur Herstellung weiterer chemischer Produkte entwickelt. Abnehmer dieser Erzeugnisse waren überwiegend Seifensiedereien, Alaunwerke und Apotheken. 1802 analysierte H. Soleproben für Johann Tolberg, der zu diesem Zeitpunkt mit der Errichtung des ältesten Solbades Deutschlands in Schönebeck befaßt war. Im selben Jahr verkaufte H. seine Apotheke in Groß Salze und widmete sich trotz einsetzender Störungen durch die französische Besatzungsmacht ganz dem neuen Unternehmen. Die ab 1808 abgeschlossenen Pachtverträge gaben H. nun fast völlig freie Hand, der Betrieb entfaltete und die Produktpalette erweiterte sich kontinuierlich. H. führte als erster in Deutschland das Leblanc-Verfahren zur Produktion von Soda industriell ein. Seine Fachkenntnisse waren gefragt. Seine großen Fähigkeiten auch als Theoretiker konnte er im Jahre 1818 beweisen. H. stellte bei Untersuchungen seiner Produkte ein neues Element fest, das später isoliert werden konnte und Kadmium genannt wurde (vgl. Gilberts Annalen, s. u.). Neue Erzeugnisse traten hinzu wie Chlorkalk, Kaliumchlorat, Salpetersäure, Essigsäure und Quecksilberpräparate. Verschiedene bauliche Erweiterungen und Modernisierungen der Anlagen folgten. H. wurde 1829 zum Kommerzienrat ernannt. Bei einer Feier anläßlich seiner 50jährigen Tätigkeit erhielt er den Adlerorden III. Klasse mit Schleife, die Berliner Universität verlieh ihm die Ehrendoktorwürde und die Stadt Groß Salze händigte H. den Ehrenbürgerbrief aus. Veröffentlichungen in Schweiggers Journal und Poggendorffs Annalen gaben Einblick in seine wissenschaftliche Arbeit. 1827 und 1844 erhielt die Fabrik jeweils die große goldene Preismedaille der “Ausstellung vaterländischer Gewerbeerzeugnisse” zu Berlin. Nach seinem Tod wurde die Fabrik von seinem Sohn Otto H. übernommen.
Werke: Über das schlesische Zinkoxyd, und über ein darin gefundenes sehr wahrscheinlich noch unbekanntes Metall, in: Gilberts Annalen der Physik 59, 1818, 95f.; 66, 1820, 285–289.
Literatur: BioApo 1, 265f.; Johann C. Poggendorff, Biographisch-literarisches Handwörterbuch, Bd. 1, 1863, Sp. 1080; Wilhelm Schulze, Aus der Geschichte der Stadt Schönebeck, Ms. 1962, 474–485 (StadtA Schönebeck: Bl. 524.4); Pharmazeutische Zs. Nr. 122, 1977, 1791–1795; Baudenkmale im Kreis Schönebeck, 1988, 30; 1797–1997. Vom Apotheker H. zur Hermania Dr. Schirm GmbH. 200 Jahre Chemische Industrie in Schönebeck, 1997, 10–16 (B).
Bildquelle: *StadtA Schönebeck.
Britta Meldau