Mövius, Ruth Clara, Dr. phil.
geb. 27.09.1908 Magdeburg,
gest. 02.11.1989 Magdeburg,
Lehrerin.

M., jüngste Tochter des Kaufmanns Carl Adolf Werner M., studierte in München, Königsberg, Berlin und Marburg Mathematik, Deutsch, Physik und Philosophie (Assessoren-Examen). 1937 promovierte sie in Marburg über Rainer Maria Rilkes “Stundenbuch”. 1944 kehrte sie als Lehrerin in ihre Heimatstadt zurück. Vom Schulanfänger (Volksschule) bis zum Erwachsenen (Volkshochschule, Abendoberschule) unterrichtete sie jede Altersstufe. Die letzte Schule, an der M. von 1955 bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Schuldienst 1969 Deutsch und Mathematik lehrte, war die Erweiterte Oberschule “Geschwister Scholl” in Magdeburg. Kollege und Freund war der Magdeburger Maler und Graphiker Wilhelm Höpfner. Ihr Leben und ihr Wirken waren Zeugnis einer selbstlosen und leidenschaftlichen Liebe gegenüber den Menschen. Das spiegelt sich vor allem in ihrer unermüdlichen Arbeit für das Werk des Gelehrtenehepaares Helene und Max Herrmann wider. M. Herrmann, ihren verehrten Universitätslehrer, hatte sie 1930 in Berlin kennengelernt; mit ihm und seiner Frau verband sie eine tiefe Freundschaft. Risikobereit begleitete sie den Lebensweg H. und M. Herrmanns bis zu deren Deportation nach Theresienstadt 1942. H. Herrmann (geb. 1877 Berlin, gest. 1944 Konzentrationslager Auschwitz), deutsche Staatsangehörige jüdischer Herkunft und bedeutende Germanistin, war die “Entdeckerin” der Elisabeth von Ardenne als Ur-Figur der “Effi Briest”. Ihr Essay über den gleichnamigen Roman Theodor Fontanes (1912) fand große Anerkennung, u. a. bei Thomas Mann. M. Herrmann (geb. 1865 Berlin, gest. 1942 im Konzentrationslager Theresienstadt), durch Geburt Halbjude, mußte 1933 nach 42jähriger Tätigkeit als Hochschullehrer an der Berliner Friedrich-Wilhelm-Universität aus dem Amt gehen. Der Ordinarius für Germanistik, Literatur- und Theaterwissenschaften hatte dort das Theaterwissenschaftliche Institut begründet und die Theaterwissenschaften zur selbständigen Disziplin entwickelt. Vor seiner Deportation 1942 übergab er M. das Manuskript seines letzten Werkes mit konkreten Hinweisen für eine spätere Veröffentlichung. M. gab den Band 1962 unter dem Titel “Die Entstehung der berufsmäßigen Schauspielkunst im Altertum und in der Neuzeit” mit einem Nachruf auf M. Herrmann heraus. Angeregt durch M. verlieh die Deutsche Staatsbibliothek von 1979 bis 1990 jährlich den Max-Herrmann-Preis, der ab Mai 2000 vom Verein der Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin e.V. vergeben wurde. Zum Gedenken an H. und M. Herrmann ließ M. in den Grabstein der Eltern M. Herrmanns auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee eine Inschrift meißeln. In Vorträgen und Veröffentlichungen wirkte sie nach dem II. Weltkrieg unermüdlich, um das Andenken an das nur noch wenigen Menschen bekannte Gelehrtenehepaar und die Erinnerung an das Schicksal jüdischer Menschen im Nationalsozialismus zu bewahren.

Werke: Das Vermächtnis Max Herrmanns, in: Theater der Zeit, Jg. 15, 1960, H. 9, 37–40; Helene Herrmann, in: Das Stichwort. Nachrichten aus der Deutschen Staatsbibliothek, Jg. 26, H. 1, 1982, 1f.; Helene Herrmann zum Gedenken, in: Fontane-Blätter 5, H. 1, 1982, 22–25; Helene Herrmann – ein Lebensbild, in: Sinn und Form 36, 1984, H. 4, 739–752; Helene Herrmann (Ein Lebensbild), in: Helene Herrmann, Einfühlung und Verstehen. Schriften über Dichtung, 1988, 158–167 (W).

 Nachlaß: Staatsbibliothek Berlin.

Literatur: Heinz Knobloch, Berliner Grabsteine, 1987;  Renate Gollmitz, Max Herrmann, ein jüdischer Germanist an der Berliner Universität, in: Beiträge zur Geschichte der Humboldt-Universität zu Berlin 23, 1989, 77–85; Renate Gollmitz, Nachruf, in: Das Stichwort. Nachrichten aus der Deutsche Staatsbibliohek, Jg. 33, 1989, H. 4, 51; Heinz Knobloch, Sei freundlich zu den Lesern. Zum Ableben des Max-Herrmann-Preises, in: Der Tagesspiegel vom 09.05.1991; Renate Gollmitz, Nutzer, Freund und Förderer der Staatsbibliothek: Max Herrmann, in: Hauszs. SBB – intern, Jg. 6, H. 3/4, 2000, 2f.

Bildquelle: *Brigitte Hetz, Magdeburg (privat).

Brigitte Hetz

letzte Änderung: 28.02.2005