Martin, Ernst Herbert
geb. 03.03.1885 Schraplau/Mansfelder Land,
gest. 12.11.1974 Bad Münstereifel,
evangelischer Pfarrer, Politiker.

M., Sohn kleiner Geschäftsleute, studierte nach seiner Mannheimer und Eislebener Gymnasialzeit in Berlin und Halle evangelische Theologie. 1910 bestand er in Wittenberg das zweite theologische Examen und leistete danach für zwölf Monate seinen Militärdienst in Magdeburg. Nach seiner Ordination 1911 arbeitete er ein Jahr als Hilfsprediger in Nordgermersleben und Hötensleben sowie anschließend bis 1918 als Pfarrer in Felgentreu bei Luckenwalde. 1918 wurde ihm eine von vier Pfarrstellen am Magdeburger Dom zugeteilt, die er bis zu seiner Pensionierung 1957 ausfüllte. Seit 1920 unterstützte M. den Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten auf Bitten seines Gründers Franz Seldte. Auf M.s Initiative dürften auch die Feldgottesdienste zurückzuführen sein, die fester Bestandteil der alljährlich stattfindenden Reichsfrontsoldatentage des Bundes waren. Ausgeprägt waren seine kritischen Stellungnahmen gegen die Republik in Predigten und politischen Veranstaltungen. Erster Höhepunkt antirepublikanischen Denkens war sein Bekenntnis zur Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), die er von 1924–1928 als Mitglied des Reichstages vertrat. Hauptsächlich setzte er sich hier für den Erhalt einer christlichen Schule ein. In den letzten Jahren der Weimarer Republik war bei M. eine deutliche Tendenz der Anlehnung an den Nationalsozialismus zu beobachten. So hielt er u. a. im Oktober 1930, einer Bitte der SA  folgend, eine Predigt im Dom, die von nationalsozialistischer Seite als höherer Gewinn als eine kurze Zeit zuvor in der Magdeburger Stadthalle stattgefundene Rede Adolf Hitlers eingestuft und als Durchbruch der NSDAP im SPD-regierten Magdeburg eingeschätzt wurde. Neben dem Direktor des Magdeburger Kaiser-Friedrich-Museum, Walther Greischel, war auch M. an der Kritik und letztendlichen Entfernung des Ehrenmals für die Gefallenen des I. Weltkrieges von Ernst Barlach aus dem Dom 1934 beteiligt. Von der Enttäuschung über die Weimarer Demokratie her muß sein Eintritt in die NSDAP am 01.03.1933 und der Übertritt zu den Deutschen Christen verstanden werden. Bereits 1934 begann jedoch ein mehrere Jahre andauernder Prozeß der Abwendung. Daher kam auch eine geplante Berufung zum Bischof von Berlin nicht mehr in Frage. Als Vertreter der Deutschen Christen gehörte M. dem Kirchenausschuß der altpreußischen Landeskirche ebenso an wie dem Provinzialkirchenausschuß der Kirchenprovinz Sachsen, dem er seit 1935 vorstand. Bis zum Scheitern der Ausschüsse war er darum bemüht, eine Ausgleichspolitik im Kirchenkampf innerhalb der evangelischen Kirche der Provinz zu betreiben. Aus den Reihen der Deutschen Christen wurde er 1936 ausgeschlossen, nachdem er der Bekennenden Kirche für ihre Haltung Respekt bekundet hatte. Ihr trat er nach einem öffentlichen Schuldbekenntnis 1937 bei. Kurz vor dem Kriegsende spielte M. noch einmal eine bedeutende Rolle für Magdeburg. Seinem Eingreifen war es zu verdanken, daß der Dom nicht durch bereits feuerbereite amerikanische Geschütze zerstört wurde, da er rechtzeitig innerhalb eines Ultimatums der Amerikaner eine Hakenkreuzfahne vom Dom nehmen ließ.

Nachlaß: Lebenserinnerungen, Ms. o. J. (Privatbesitz Herbert M., Bad Harzburg).

Literatur: Reichstags-Hdb 1920–1933, 1933 (B); Herbert M., E. M. – Aus seinem Leben (maschinelle Kompilation), 1979; Martin Onnasch, E. M., in: Mathias Tullner (Hg.), Persönlichkeiten der Geschichte Sachsen-Anhalts, 1995, 318–321; Ralf Czubatynski, Der Magdeburger Domprediger E. M. (1885–1974) im Spannungsfeld von Politik und Kirchenpolitik in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, in: Mathias Tullner (Hg.), Sachsen-Anhalt Beiträge zur Landesgeschichte 15, 1999, 101–124 = Kurzfassung der maschinellen Examensarbeit Universität Magdeburg, 1996 (W).

Archivalien: AKPS: Rep. A, Spec. P, M 435 (PA).

Bildquelle: *Herbert M., Bad Harzburg (privat).

Ralf Czubatynski

letzte Änderung: 28.02.2005