Seldte, Franz
geb. 29.06.1882 Magdeburg,
gest. 01.04.1947 Fürth,
Kaufmann, Fabrikant, Politiker, Reichsminister.

Der Sohn eines Fabrikanten war Schüler der Wilhelm-Raabe-Schule in Magdeburg, studierte nach der kaufmännischen Lehre Chemie an der Technischen Hochschule Braunschweig und an der Universität Greifswald und mußte nach dem frühen Tod des Vaters die Leitung des Familienunternehmens für chemische Produkte und Sodawasser übernehmen. Er schloß die Militärdienstzeit beim Magdeburger Regiment Nr. 66 als Reserveoffizier ab. Als Kriegsteilnehmer im I. Weltkrieg 1916 schwer verwundet (Verlust des linken Armes), war er nach seiner Genesung Film- und Frontberichterstatter. Er wurde mit dem Eisernen Kreuz I und II ausgezeichnet und zum Hauptmann der Reserve befördert. Erschüttert über die Kriegsniederlage und erregt über die “Schweinerei der Revolution” gründete er mit Gleichgesinnten am 25.12.1918 in Magdeburg den Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten 1918. Am 20./21.09.1919 fand hier auch die Gründung des Reichsbundes statt. S. wurde 1. Bundesführer, Sitz des Stahlhelms war Magdeburg, wo am 14.03.1920 der erste Reichsfrontsoldatentag durchgeführt wurde. Die Ziele des größten Wehrverbandes der Weimarer Zeit waren zunächst unklar und widersprüchlich. So gab er sich als unpolitische Interessenvertretung der heimkehrenden Frontsoldaten aus und betonte, “auf dem Boden der Republik” zu stehen. Jedoch nahm S. (der vor dem Krieg nationalliberal Eingestellte war nun Mitglied der Deutschen Volkspartei geworden) schon Anfang der 1920er Jahre als Abgeordneter des Magdeburger Stadtparlaments in den dort geführten Debatten gegen die veränderten politischen Verhältnisse Stellung. Der Stahlhelm driftete – gefördert durch die Dauerrivalität zwischen S. und dem 2. Bundesführer Theodor Duesterberg – immer mehr auf einen antirepublikanischen, antidemokratischen, schwarz-weiß-roten Standort ab. Die sich Anfang der 1930er Jahre zuspitzenden sozialen Probleme und politischen Gegensätze bestärkten S. in dem Glauben, jetzt sei für ihn und den Stahlhelm der Zeitpunkt für die Übernahme der Führung im national-konservativen und rechten Lager gekommen. In Verkennung der wirklichen politischen Machtverhältnisse hoffte er, die nationalsozialistische Bewegung in eine Papen-S.-Regierung einfügen und ihr unterordnen zu können. Selbst nach der Bildung des 1. Hitler-Kabinetts, in dem er Arbeitsminister wurde, wollte er bei den anstehenden Wahlen die vom Stahlhelm getragene Kampffront “Schwarz-Weiß-Rot” zu einer starken politischen Kraft ausbauen. Innerhalb weniger Wochen mußte S. im Frühjahr 1933 alle Illusionen begraben. Um den Stahlhelm als Organisation zu retten, überführte er ihn in die SA. S. trat im April 1933 der NSDAP bei und wurde im August 1933 SA-Obergruppenführer. Neben dem unbedeutenden Ministerposten übernahm er das Reichskommissariat für den Freiwilligen Arbeitsdienst. Im März 1934 zum Führer des Nationalsozialistischen-Deutschen Frontkämpferbundes ernannt, befahl ihm Hitler wenig später, die Organisation aufzulösen. Die 1935 von ihm vorgetragene Bitte, aus allen Ämtern ausscheiden zu dürfen, lehnte Hitler ab. Ohne jeglichen politischen Einfluß blieb er bis 1945 Mitglied der Reichsregierung, preußischer Arbeitsminister, preußischer Staatsrat und Mitglied des Reichstages. Von den Siegermächten als Kriegsverbrecher inhaftiert, verstarb er vor der Anklage in einem amerikanischen Militärhospital.

Literatur: Volker Rolf Berghahn, Der Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten 1918–1935, 1966, 17 u.ö.; Wolfgang Benz/Hermann Graml (Hg.), Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik, 1988, 311; Robert Wistrich, Wer war wer im Dritten Reich. Ein biographisches Lexikon, 1992, 322f.

Bildquelle: *Reichshdb 2, 1931, 1765.

Manfred Wille