Seelmann-Eggebert, Wilhelm
Emil, Prof. Dr. phil. |
S. wurde als Sohn des Lohgerbermeisters Gotthelf S. in Oschersleben geboren. Der ältere Bruder des Philologen und Bibliothekars Emil S. besuchte bis 1862 die Volksschule in Oschersleben und danach das Gymnasium in Quedlinburg. Nach dem Abitur 1871 nahm S. bis 1874 das Studium der Klassischen und Germanischen Philologie an der Universität Berlin auf. 1875 promovierte er an der Universität Halle. Von 1874 an war S. als Bibliothekar an der Universitätsbibliothek Berlin und von 1901 als Oberbibliothekar an der Preußischen Staatsbibliothek tätig; 1920 trat er in den Ruhestand. S. wandte sich neben seiner beruflichen Tätigkeit besonders der Erforschung der mittel- und neuniederdeutschen Mundarten zu. Er war zugleich bestrebt, die erzielten Ergebnisse für Forschungen auf dem Gebiet der deutschen Altertumskunde und der vergleichenden Literaturgeschichte nutzbar zu machen. 1877 trat S. dem Verein für niederdeutsche Sprachforschung bei und war 1909–23 dessen Vorsitzender 1884–1924 redigierte S. das Jahrbuch für niederdeutsche Sprachforschung und gab den “Deutschen Universitäts-Kalender” (1873–77), die Jahresberichte über die Erscheinungen auf dem Gebiete der germanische Philologie (Jahrgänge 1879–81, 1892–1903), sowie die Jahrgänge 1905–20 zur Niederdeutschen, die Jahrgänge 1879–81 und 1892–98 zur Niederländischen und die Jahrgänge 1896–98 zur Deutschen Mundartenforschung heraus. S. begründete die Reihe “Drucke des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung”, in der er zahlreiche ältere mittelniederdeutsche Dichtungen herausgab und publizierte mit Ernst Brandes und Conrad Borchling 1905–06 eine siebenbändige Ausgabe der Werke Fritz Reuters. S. veröffentlichte zudem in Buchform und in Zeitschriften zahlreiche sprachwissenschaftliche Arbeiten (s. Erich S., 1929) und machte sich um die niederdeutsche Sprache und Literatur hochverdient. 1940 erhielt S. die Goethe- Medaille.
Werke: Gerhard von Minden, 1878; Valentin und Namelos, 1884; Mittelniederdeutsche Fastnachtsspiele, 1885; Niederdeutsche Reimbüchlein, 1885; Nordthüringen. Zur Geschichte der deutsche Volksstämme Norddeutschlands und Dänemarks im Altertum und Mittelalter, 1887; Die Totentänze des Mittelalters. Untersuchungen nebst Litteratur- und Denkmälerübersicht, 1893; Niederdeutsche Schauspiele älterer Zeit, 1895 (mit Johannes Bolte); Die plattdeutsche Litteratur des 19. Jahrhunderts, in: Jb. für niederdeutsche Sprachforschung 22, 1897; ebd. 28, 1902, ebd. 41, 1915; Niederdeutsche Ergebnisse der germanistischen Wissenschaft 1902; Reuter-Forschungen, 1910; Die ältesten Flußnamen des Harzes, in: Zs. für Ortsnamenkunde, 1935, 11f.
Literatur: Rudolf Eckart, Hdb. zur Geschichte der plattdeutschen Literatur, 1911, 414ff.; Conrad Borchling, Zum 70. Geburtstag W. S.s, in: Korrespondenzblatt für niederdeutsche Sprache 37, 1919, Nr. 1–7; Erich S., Verzeichnis der Schriften W. S.s, in: Jb. für niederdeutsche Sprachforschung 54, 1929, 136–138; Friedrich Kammradt, Niedersachsenblut in fremdem Volkstum, in: MonBl 82, 1940, 81f.; ders., Von der Volksart unseres Gaues “Elbostfalen”, Elbhavelland und Altmark in den Forschungen Prof. W. S.s, in: Goldener Reiter 3, 1940, H. 5, 126f.; Conrad Borchling, W. S. und der Verein für niederdeutsche Sprachforschung, in: Jb. des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung 65/66, 1939/1940, 1941, 1–13; Sonderh. zum Gedenken W. S.s, o. J.; Friedrich Kammradt, W. S., der Altmeister unter den Erforschern niederdeutschen Mundarten, in: Zwischen Bode und Lappwald 5, H. 2, 1960, 22–24 (B); ders., W. S. als Reuterforscher, in: ebd., 1960, 94–96; Andrea Habermann u. a. (Hg), Lexikon deutscher wissenschaftlicher Bibliothekare 1925–1980, 1985, 326.
Bildquelle: *Porträtsammlung Deutsche Staatsbibliothek, Berlin.
Heinz Nowak