Klages, Wilhelm August
Hermann, Prof. Dr. phil. nat. habil. |
Nach dem Leibniz-Gymnasium in Hannover absolvierte der Sohn eines Bäckermeisters eine kaufmännische Ausbildung und studierte ab 1893 Naturwissenschaften, besonders Chemie, Botanik und Mineralogie, an der Universität Heidelberg. Der Schüler des bekannten Chemikers Victor Meyer war ab 1895 dessen Assistent, promovierte 1896 über das Thema hydrierter Benzole und arbeitete 1897–1900 als Vorlesungsassistent bei Meyers Nachfolger Theodor Curtius. 1900 habilitierte er sich für organische Chemie und war bis 1906 als Abteilungsvorsteher und Privatdozent sowie ab 1904 als außerordentlicher Professor für Chemie am Chemischen Laboratorium der Universität Heidelberg tätig. 1906 ließ sich K. auf eigenen Wunsch beurlauben, um in der chemischen Industrie praktisch tätig zu werden. Er trat kurzzeitig in den Dienst der Badischen Anilin- und Sodafabrik (BASF) in Ludwigshafen und übernahm bereits 1907 als Nachfolger des erkrankten Constantin Fahlberg die technische Leitung der Saccharinfabrik AG (vormals Fahlberg, List & Co.) in Magdeburg. In dieser Eigenschaft oblag ihm in der Folge zeitweise auch die technische Beratung und Leitung der Norddeutschen Chemischen Fabrik Harburg, der Chemischen Fabrik Schlutupp, der Chemischen Fabrik Köthen und Dodendorf und der Chemischen Werke Oderberg. 1927 wechselte K. als geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Vereins Deutsche Chemiker und als Honorarprofessor an der Fakultät für Stoffwirtschaft der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg nach Berlin. Er war zudem als Mitglied in zahlreichen Ausschüssen und Interessenverbänden der deutschen chemischen Industrie tätig. 1933 schied er aus dem aktiven Berufsleben und verbrachte seinen Lebensabend in Berlin und nach dem Ende des II. Weltkrieges in Göttingen. K. galt als führender Fachmann auf dem Gebiet des Süßstoffs, der Schwefel- und Salzsäureproduktion sowie der modernen Pflanzenschutz- und Saatbeizmittel und besaß zahlreiche Patente. 1912 gelang ihm die Entdeckung des “Bitterstoffes” bei der Oxidation von o-Toluensulfamid mit Kaliumpermanganat. Mit der Entwicklung von “Germisan” (1920) legte er den Grundstein für die in den Folgejahren durch die Arbeiten Gustav Gassners zu großer Bedeutung gelangten Saatgutbeizen, die den Getreideanbau durch den Schutz des Saatgutes vor boden- und samenbürtigen Schädlingen zu wesentlich sichereren Erträgen führten. Unter K.’ Leitung wurde der Magdeburger Betrieb durch den gezielten Ausbau der Produktpalette bedeutend erweitert. Vor allem konnte mit der Errichtung umfangreicher Produktionsanlagen für Schwefelsäure – die erste, nach dem kurz zuvor von der BASF patentierten Kontaktverfahren eingerichtete Anlage wurde 1904 in Betrieb genommen – ein wichtiger Geschäftszweig erschlossen werden, durch den die Saccharinfabrik AG in der Zeit nach dem durch die Zuckerindustrie erzwungenen Verbot des freien Saccharinhandels (1902) bis zu 70 Prozent ihres Umsatzes realisierte.
Werke: Ueber einige Derivate des m-Xylols, 1896; Studien in der Reihe hydrirter Benzole, 1897; Über das Pulegon und das Methylhexanon, 1899; Über das Nitrit der Aminoessigsäure, 1902; Zur Kenntnis der Amylbenzole, 1903; Über das optische Verhalten einiger Styrolene, 1907; Bekämpfung der Getreidekrankheiten, 1925; Schädlingsbekämpfung durch chemische Mittel, in: Franz Peters/Hermann Großmann (Hg.), Chemische Technologie der Neuzeit, Bd. 4, 21932, 1124–1154.
Literatur: Wer ist’s 10, 1935; Reichshdb 1, 932f. (*B); Johann C. Poggendorff, Biographisch-literarisches Handwörterbuch, Bd. IV/1, 1904; Bd. V/1, 1925; Bd. VI/2, 1937; Bd. VIIa/2, 1958; Deutschlands, Österreich-Ungarns und der Schweiz Gelehrte, Künstler und Schriftsteller in Wort und Bild, 1908 (B); Georg Wenzel, Deutsche Wirtschaftsführer, 1929; Dagmar Drüll, Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803–1932, 1986, 136; Von der Saccharin-Fabrik zum sozialistischen VEB Fahlberg-List Magdeburg 1886–1986, 1986.
Bildquelle: Universitätsarchiv Heidelberg.
Guido Heinrich
letzte Änderung: 09.02.2005