Fahlberg, Constantin, Dr. |
F. erhielt seine erste wissenschaftliche Ausbildung 1868/69 an der Polytechnischen Schule in Moskau. Anschließend führte er in Berlin erste Zuckeruntersuchungen durch, um danach ein Chemiestudium in Wiesbaden und Leipzig aufzunehmen. Nach seiner Promotion 1873 in Leipzig war F. kurzzeitig Direktor der Chemischen Laboratorien Unterharz. 1874 eröffnete er ein Zucker-Labor in New York und inspizierte in der Folgezeit zu Forschungszwecken Zuckerplantagen in British-Guayana. 1878 habilitierte er sich an der Johns Hopkins Universität in Baltimore, wo er als Gast von Ira Remsen an dessen Chemischem Institut Zucker-Analysen durchführte. Dabei fand er (auf Vorarbeiten von Remsen aufbauend) bei der Oxidation von o-Toluensulfamid den künstlichen Süßstoff Saccharin (o-Sulfobenzoesäureimid) – eine Entdeckung, die 1879 unter beider Namen publiziert wurde. Auf eine Patentanmeldung und wirtschaftliche Nutzung wurde zunächst verzichtet. Ab 1880 begann er in Philadelphia an der Optimierung des Herstellungsverfahrens zu arbeiten. Erst nach einem Besuch bei seinem Onkel, dem Techniker Adolph List, in Leipzig wurden im Sommer 1882 Vorstellungen zur industriellen Nutzung der Entdeckung entwickelt. Zwei Jahre später, bei seinem zweiten Besuch in Leipzig, fiel die endgültige Entscheidung zur Produktionsaufnahme. 1885 begann die Versuchsproduktion in New York. Zusammen mit List meldete F. das verbesserte Herstellungsverfahren zum Patent an und sicherte sich gleichzeitig für den neuen Süßstoff den Namen “Saccharin”, der am 18.11.1885 erstmals im amtlichen Deutschen Patentblatt veröffentlicht wurde. Zur Verwertung der Entdeckung des ersten synthetischen Süßstoffes erfolgte im April 1886 die Gründung einer Saccharinfabrik, der Kommanditgesellschaft Fahlberg, List & Co. in Leipzig mit Sitz in Salbke bei Magdeburg. Damit wurde F. zum Begründer der Süßstoffindustrie. Vor Abschluß des Gesellschaftsvertrages war allerdings F.s Onkel verstorben. Beide hatten gemeinsam die Unternehmensgründung vorbereitet, wobei List insbesondere die Finanzierungsfragen klärte. Für List trat sein Sohn Adolf Moritz List als Komplementär ein. Die anfangs in New York erzeugten Muster erhielten schnell internationale Anerkennung und wurden auf verschiedenen Messen mehrfach ausgezeichnet (1885 in Antwerpen und London, 1888 in Ostende und Stuttgart). Der Bau der ersten Saccharinfabrik der Welt in Magdeburg erfolgte im wesentlichen nach F.s Anweisungen und wurde am 09.03.1887 fertiggestellt. Am gleichen Tage begann die Produktion des neuen Süßstoffes nach dem Fahlberg/List-Patent Nr. 35211 von 1884. Das Unternehmen erlebte bis zur Jahrhundertwende einen stetigen Aufschwung und eine günstige Geschäftslage. Erst die zunehmende Konkurrenz durch die Zuckerindustrie wirkte sich negativ auf das Unternehmen aus. Diesen neuen Verhältnissen Rechnung tragend, wurde das Unternehmen zur Erweiterung der Produktionspalette in eine Aktien-Gesellschaft umgewandelt (Saccharin-Fabrik AG), deren neues Haupterzeugnis zunächst Schwefelsäure war. Als Folge der Aktivitäten der Zuckerindustrie erfolgte am 07.07.1902 in Deutschland ein Süßstoffverbot. Lediglich der Bedarf der Diabetiker durfte gedeckt werden. Die Wiederfreigabe erfolgte im I. Weltkrieg. 1906 verließ F. krankheitshalber das Unternehmen. Sein Nachfolger wurde August Klages.
Werke: 25 Jahre im Dienste der Süßstoffindustrie, 1903.
Literatur: NDB 4, 744; DBE 3, 218; Von der Saccharin-Fabrik zum sozialistischen VEB Fahlberg-List Magdeburg. 1886–1986, 1986, 6–24 (B); Winfried R. Pötsch u. a. (Hg.), Lexikon bedeutender Chemiker, 1989, 142; Klaus-Günter Collatz (Hg.), Lexikon der Naturwissenschaftler, 1996, 137f.
Bildquelle: *Heinz Hirschmann, Magdeburg (privat).
Horst-Günther Heinicke
letzte Änderung: 19.08.2004