Müller, Ludolf
Hermann, Dr. theol. h.c. |
M. stammte aus einem konservativ eingestellten altmärkischen Pfarrhaus. Sein Vater war Superintendent in Kalbe/Milde. Nach der Volksschule in Kalbe lernte M. frühzeitig das Internatsleben kennen, als er im Pädagogium des Klosters Unser Lieben Frauen in Magdeburg die Klassen Quinta bis Oberprima (6.-13. Schuljahr) besuchte. Anschließend studierte er 1901–04 in Tübingen, Leipzig und Halle evangelische Theologie. Nach dem Vikariat arbeitete er zunächst als Hauslehrer, wurde Mitte 1908 ordiniert und begann seine pfarramtliche Tätigkeit in Dambeck als Provinzialvikar, ab 1909 als Pfarrer. Bereits dort brachte er sich bereits in das politische Leben ein, indem er öffentlich für konservative Wahlkandidaten eintrat. Im I. Weltkrieg war M. als Feldprediger tätig. 1917 wechselte er als Pfarrer nach Schoensee/Westpreußen, wo er sich nach Kriegsende für die deutschen Belange engagierte, öffentlichen Widerspruch und polnische Haft erfuhr und schließlich aus Polen ausgewiesen wurde. Durch die Berliner Kirchenbehörde zunächst beurlaubt, übernahm er ab 1922 für fünf Jahre eine Stelle in Dingelstedt bei Halberstadt. 1927 wurde ihm die Aufgabe eines Superintendenten im Kirchenkreis Eichsfeld mit Sitz in Heilgenstadt übertragen – dem einzigen in der Kirchenprovinz Sachsen mit einer überwiegend katholischer Bevölkerung. Mit dem Beginn der Auseinandersetzung zwischen der Bekennenden Kirche (BK) und den deutsch-christlichen Kirchenbehörden während der Zeit des Nationalsozialismus wurde M. führendes Mitglied im Provinzialbruderrat. Er lehnte den von den Nationalsozialisten geforderten Treueid ab und ließ in Rundbriefen und Vorträgen seine klare Option für die BK deutlich werden. Trotz zwischenzeitlicher Suspendierung und Zwangsversetzung 1934/35 konnte M. bis zum Kriegsende vom Eichsfeld aus die Belange der BK in der Kirchenprovinz Sachsen fortführen. Eingeleitete Disziplinarverfahren und eine Untersuchung wegen Verstoßes gegen das Heimtückegesetz wurden eingestellt. Dennoch blieb ihm 1937 ein kurzer Gefängnisaufenthalt nicht erspart. Mit einer persönlichen Zusatzerklärung leistete M. 1938 nachträglich den Eid auf Adolf Hitler. Nach dem Ende des II. Weltkrieges wechselte M. nach Magdeburg. Als hauptamtlicher Vorsitzender der Vorläufigen Geistlichen Leitung und Präses der Synode (bis 1947) stellte er sein Wirken in den Dienst der Festigung der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen. Die vormals altpreußischen Kirchenprovinzen wurden in die Selbständigkeit einer eigenen, jeweils der Evangelischen Kirche in Deutschland angehörenden Landeskirche überführt. Eine der Hauptaufgaben war die Selbstreinigung der Kirche von Aktivisten nationalsozialistischen Gedankenguts. Eine Reihe von leitenden Mitarbeitern wurden abberufen, die allermeisten leisteten weiter Pfarrdienst, einige wurden später wieder in leitende Stellen befördert. Zudem wurde eine neue Leitungsstruktur installiert und die Kirchenleitung mit einem Bischof als Vorsitzenden durch acht Pröpste unterstützt. Im Sommer 1947 wurde M. im Merseburger Dom als Bischof in seinen Dienst eingeführt, den er bis zum Oktober 1955 versah. Als eine Art geschäftsführender Ausschuß der Kirchenleitung wurde ein Rat der Kirchenleitung geschaffen, dessen Arbeit wesentlich durch M., durch seinen Nachfolger als Präses der Synode Lothar Kreyssig und Konsistorialpräsident Bernhard Hofmann geprägt wurde. M., dem inzwischen die theologische Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Halle verliehen worden war, sah sich in den Jahren seines Bischofsdienstes fortwährend mit Angriffen oder Einschränkungen durch die staatlichen Behörden bzw. Vertreter der Besatzungsmacht konfrontiert. So verlangten die sowjetischen Offiziere bei der ersten Tagung der Synode 1946 (es war die erste seit 1929), daß ihnen vor der Tagung alle Unterlagen ausgehändigt würden und daß das Thema Religionsunterricht nicht besprochen werden dürfe. M. gab die Materialien unter Protest heraus, die Synode nahm sich das Thema des Unterrichts für die kommende Tagung vor. In mehreren Gesprächen mit der Landesregierung in Halle und bei Unterredungen mit Regierungsvertretern in Berlin wandte sich M. gegen die Bedrückung einzelner Personen, gegen die Unwahrhaftigkeit im öffentlichen Leben, gegen die Praxis der Wahlen 1949 und 1950 und gegen die Rechtsunsicherheit. Auch führte er Auseinandersetzungen um die Arbeit der Jungen Gemeinde, zu deren Tätigkeit M. bereits 1951 öffentlich sagte: “Wer die Junge Gemeinde angreift, greift die Kirche an!” Durch einen Schlaganfall geschwächt, mußte M. die Zeit des forcierten Kirchenkampfes 1952/53 durchstehen, den die DDR erst durch das Eingreifen der Moskauer Führung im Juni 1953 beendete. 1955 trat M. in den Ruhestand und lebte weiter in Magdeburg. Nach den Worten seines Mitstreiters Kreyssig war M. zwar “kein Charismatiker, aber nüchtern, erfahren, unbestechlich und voll verhaltener Güte” (K. Weiß, Lothar Kreyssig – Prophet der Versöhnung, 1998, 233).
Werke: Konrad M. (Bearb.)/Stephan Lutze (Hg.), L. M., Lebenserinnerungen (4 Bde), 1998–1999.
Literatur: Hdb SBZ/DDR, 570f; Wer ist Wer, 1948; Wer ist wer, 1955; Bruno Geißler, L. M., Bischof zu Magdeburg. Ein Diener der Diaspora und Kämpfer für das evangelische Bekenntnis, ca. 1962 (Gedenkblatt).
Archivalien: AKPS: PA.
Bildquelle: *Evangelischer Pressedienst Magdeburg.
Martin Kramer
letzte Änderung: 01.03.2005