Polte, Eugen, Dr.-Ing. E.h.
geb. 12.07.1849 Magdeburg,
gest. 31.05.1911 Magdeburg,
Diplom-Ingenieur, Industrieller, Erfinder,
Königlicher Kommerzienrat.

P. war der Sohn eines Bankkaufmanns. Seine Kindheit und Jugend verlebte er in Weimar, wo er am Realgymnasium die Reifeprüfung ablegte. Seine Neigung zur Technik bestimmte seine Berufswahl. 1867 trat er als Zeichner in das Konstruktionsbüro der Maschinenfabrik von Hermann Gruson in Magdeburg ein. Im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 nahm er als Angehöriger des Magdeburger 4. Pionierbataillons an der Belagerung von Paris teil. Von 1872 bis 1874 studierte P. an der Gewerbeakademie zu Berlin, der späteren Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg. 1875 übernahm er, erst 26 Jahre alt, die Stelle eines Oberingenieurs im expandierenden Unternehmen von H. Gruson. Er betätigte sich vorrangig auf dem Gebiet der Rüstungstechnik, u. a. befaßte er sich mit der Einführung neuer brisanter Sprengstoffe für Artilleriegeschosse. 1885 wagte P. den Schritt in die Selbständigkeit. Er erwarb, finanziell unterstützt vom Magdeburger Industriellen Rudolf Wolf, eine kleine Armaturenfabrik. Anfangs beschäftigte er nur 23 Arbeiter. Es gelang ihm, geschäftliche Beziehungen zu den großen Magdeburger Maschinenfabriken und nach außerhalb zu renommierten Firmen, wie der Gasmotorenfabrik Deutz, zu entwickeln. Nach zwei Jahren hatte sich die Anzahl der Beschäftigten im Unternehmen verdreifacht. Der Anfang des Aufstiegs zu einem Großunternehmen begann, als P. vom preußischen Kriegsministerium einen Auftrag über die Lieferung von 40 Millionen Patronenhülsen für das neu eingeführte Armeegewehr 98 erhielt. Da weder die Größe seiner Fabrik noch der vorhandene Werkzeugmaschinenpark ausreichte, einen Auftrag dieser Größenordnung in der vereinbarten Lieferzeit zu erfüllen, mußten von P. nicht nur ein neues Fabrikgebäude errichtet, sondern auch entsprechende Bearbeitungsmaschinen beschafft und Facharbeiter für deren sachgemäße Bedienung geschult werden. Dank seines außergewöhnlichen unternehmerischen Geschicks konnte er diese Schwierigkeiten überwinden. Um die Produktivität der Fertigung von Patronenhülsen zu steigern, entwickelte P. eine automatische Zuführung der Teile zu den Werkzeugmaschinen und in mehrjähriger Versuchsarbeit ein neuartiges Walzverfahren, bei dem die Formgebung durch rollende Kugeln erfolgte. In der Folgezeit entwarf und baute P. nicht nur Spezialmaschinen und Präzisionsmeßeinrichtungen für die Herstellung und Aufarbeitung von Geschoßhülsen aller Art, sondern sogar weitgehend komplette Produktionslinien. P. gehört zu den Wegbereitern der automatisierten Fertigung in der Metallindustrie. 1903 wurde P. zum Kommerzienrat ernannt, und 1909 verlieh ihm die Technische Hochschule Berlin-Charlottenburg “in Anerkennung seiner wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiet der Waffentechnik” ehrenhalber die Würde eines Dr.-Ing.

Literatur: Mitteldt Leb 5, 569–585 (B); Nachruf, Zs. des VDI 55, 1911, 1457.

 Bildquelle: *StadtA Magdeburg.

Manfred Beckert